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Friedrich Dürrenmatt - Der Besuch der alten Dame - Referat



Szenenanalyse 3. Akt (S. 113- 118)

Die zu analysierende Szene aus der tragischen Komödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt, 1959 in der Nachkriegszeit erschienen, ist eingebettet in den dritten Akt und stellt das letzte- und somit bedeutendste- Gespräch zwischen Alfred Ill und Claire Zachanassian dar, indem die beiden sich mit der Aussicht auf Ills Tod voneinander verabschieden.
Da die Szene zum Schluss des Romans gehört, findet hier keine Wende der Geschichte mehr statt, vielmehr ist sie ein Ausklang der über 50 jährigen Beziehung zwischen Ill und Claire und letzte Unklarheiten werden für den Leser aufgedeckt. Trotzdem gehört sie zu den wichtigsten und interessantesten Szenen des Buches und wäre für den Schluss des Buches unabdingbar.



Weil Ill der heutigen Multimillliadärin Claire Zachanassian vor 45 Jahren Schreckliches angetan hat, will sie sich nun rächen, indem sie der Gemeinde von Güllen eine Milliarde für seinen Tod geboten hat.
Obwohl es also Claire ist, die Schuld an der Ermordung von Alfred Ill haben wird, sitzen die beiden, die einst ein Liebespaar gewesen sind, noch mal ruhig zusammen im Konradsweilerwald. Ihre Verabschiedung gibt den beiden Anlass, endlich über die Vergangenheit zu reden, so lässt es beispielsweise ein Bild von Claire mit 17 Jahren entstehen.


Die Groteske, die im ganzen Roman vorzufinden ist, fehlt auch in dieser Szene nicht. Personen spielen wie schon vorher - offensichtlich und extra unecht - die Bäume, sodass der Leser mitbekommt, dass er sich nicht in der reellen Welt befindet. Dies wirkt wieder etwas lächerlich: „DER VIERTE: Kuckuck! Kuckuck!“ (S. 115).
Zudem ist die Vereinigung des „Ballade-Spielenden-Killers“ ziemlich paradox: „Claire: Er spielt gut, der begnadete Raubmörder, …“ (S. 115).

Die Unterhaltung wird nie wirklich gestört oder unterbrochen, ist jedoch auch nicht in einem fortlaufend. Es entsteht zwischendurch einfach Zeit, in der nicht gesprochen wird, die man sich wohl nimmt, um nachzudenken. Das ganze Gespräch findet ohne Hektik statt und die Atmosphäre verbreitet den Eindruck von Ruhe, scheinbarer Gelassenheit und mit der Aussicht auf Ills Tod Melancholie, den Zustand von Schwermut und Traurigkeit: „Schweigen. Sie rauchen. Kuckuck usw. Waldesrauschen. Roby spielt die Ballade.“

Da Alfred Ill immer noch die wichtigste Person in Claires Leben ist, will Claire unbedingt noch einmal vor seinem Tod alleine mit ihm reden. Unter dem Vorwand, den Konradsweilerwald besuchen zu wollen, trifft Claire sich dort mit ihm: „’Schon dich zu treffen. Besuche meinen Wald.’“ (S. 113).
Claire dominiert von Anfang an das Gespräch und redet locker über unwichtige und für Ill sicherlich uninteressante Dinge, wie ihr Gefolge: „’Mein neunter Mann. Nobelpreisträger.’“ (S. 114).
Ill saß allein im Wald, als Claire ihn aufsucht. Er fühlt sich sehr niedergeschlagen und einsam, ihn interessiert nichts mehr und ihm ist zuerst alles egal, deshalb reagiert er kaum und antwortet nur mit Ellipsen: „’Gratuliere.’“ / „’Sehr erfreut.’“ (S. 114) / „’Gerne.’“ (S. 115).





In der Szene, die sich ja fast unmittelbar vor Ills Tod abspielt, wird deutlich, dass Ill bereits mit seinem Leben abgeschlossen hat. Er hat absolut keine Hoffnung mehr und ist sich sicher, dass ihn jemand umbringen wird: „’Man hat mich zum Tode verurteilt und einer wird mich töten.’“ (S. 117). Zum Schluss redet er mit Claire sogar ganz offen darüber und setzt sich mit ihr über die Art seiner Beerdigung auseinander: „’Ich danke dir für die Kränze, die Chrysanthemen und Rosen’“ (S. 118).

Hier wird außerdem noch einmal Ills Veränderung, die mit ihm im Verlauf des Romans durch seine ansteigende Todesangst vorgegangen ist, deutlich. Er hat begriffen, dass er viel falsch gemacht hat. Früher hatte er Claire mit ihrem Kind allein gelassen und wollte nichts damit zu tun haben, jetzt akzeptiert er es als ihr gemeinsames Kind und nutzt seine letzte Chance, um mehr zu erfahren: „’Du hattest- ich meine, wir hatten ein Kind?’“ (S. 115).

Als die Rede auf das gestorbene Kind kommt, dass Claire mit Sicherheit sehr geliebt hat, stellt Ill unbewusst eine (sehr wichtige) Verbindung zwischen dessen Tod und seinem eigenen her: „’Bei Todesfall kann man sich auf die verlassen.’“
(S. 116). Er verallgemeinert hier nämlich, statt bei der konkreten Situation des Kindes zu bleiben.

Zum Schluss der Unterhaltung ist ihm klar geworden, dass Claire Schreckliches passiert ist und er kann sich besser in sie hineinversetzten.
Ihm ist die Tragik der ganzen langen Beziehung zwischen Claire und ihm von damals bis heute bewusst. So erkennt er zum Beispiel, was sich alles in diesem Konradsweilerwald zwischen ihnen ereignet hat und dass hier auch ihr letztes Treffen sein wird, was durch die Personifizierung deutlich wird: „’Wir sitzen zum letzten Mal in unserem bösen Wald…’“ (S. 117).
Am Ende wird auch noch klar, dass sie ganze Unterhaltung und ihr gemeinsamer Rückblick etwas Intimes, etwas, das nur für die beiden bestimmt war, darstellte und so verabschiedet sich Ill mit ihrem damaligem Namen von Claire: Ill: Adieu, Klara.“ (S. 118).



Claire ist dieses Gespräch mit Ill sehr wichtig. Sie hat wahrscheinlich ihr halbes Leben darauf ausgerichtet und gewartet, ihm sagen zu können, was er falsch gemacht hat. Sie ist hier anders als sonst, redet nicht in Ellipsen, wirkt nicht desinteressiert oder oberflächlich wie sonst.

Dieses Mal genießt sie die sinnlichen Minuten und gibt einen Blick „in ihr Inneres“ preis: „’Er spielt gut,…, brauche ihn für meine besinnlichen Minuten.’“ (S. 115).
Anstatt nüchtern und sachlich zu berichten, macht es ihr Spaß, sich an scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten der glücklichsten Zeit ihres Lebens zu erinnern: „’Ich wischte dir das Blut aus dem Gesicht mit meinem roten Unterrock.’“ (S. 117).
Als Ill klar stellt, dass dies wirklich das absolute, endgültige Ende ist, rückt Claire mit all ihren Gefühlen raus und wird –was man von ihr sonst nicht kennt- sogar melancholisch: „’Ich liebte dich. Du hast mich verraten. Doch den Traum von Leben, von Liebe, von Vertrauen, diesen einst wirklichen Traum habe ich nicht vergessen.’“ (S. 117).
Sie benutzt hier die Allegorie „Leben“ und „Liebe“, stellt diese beiden Begriffe also ganz eng nebeneinander und verbindet ihre Bedeutungen. Dies kann man bei ihr gut nachvollziehen: Ihre Liebe wurde damals enttäuscht und damit war für sie auch ihr richtiges Leben vorbei, so stellt Dürrematt sie nicht nur als gefühlskalt, sondern auch als einen Menschen, der fast nur noch aus Prothesen besteht, dar (siehe 2. Szene, 1. Akt).
Außerdem verwendet sie die Anapher „Traum“, um dieses Wort zu betonen und klar zu machen, dass es durch Ill, immer nur bei einem Traum geblieben ist.

Durch Claires plötzliche Offensive, die Darstellung von so vielen mitreißenden Gefühlen und durch die verwendeten Stilmittel, wird diese Stelle der Höhepunkt der Szene. Danach klingt das Gespräch nur noch aus und Claire und Ill verabschieden sich endgültig voneinander: „Claire Zachanassian: Adieu, Alfred. Ill: Adieu, Klara.“ (S. 118).



Diese letzte Unterredung von Claire Zachanassian und Alfred Ill ist zwangloser als die anderen, die sie schon hatten. Ill hat sich seit ihrem ersten Gespräch des Romans (siehe 2. Szene, 1. Akt) Claire gegenüber völlig verändert und auch Claire zeigt sich von einer ganz anderen Seite als sonst. Damit ist die Szene für den Leser besonders interessant.
Ich finde diese Zusammenkunft der beiden Hauptpersonen sehr gelungen und es ist eine schöne, wenn auch tragische, Schlussstation ihrer jahrelangen Beziehung.


Dieses Referat wurde eingesandt vom User: tennisspielerineva



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