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Otto Hahn - Referat



Allein in Baden-Württemberg gibt es sieben Gymnasien, die nach Otto Hahn benannt sind. Damit gehört er in den Kreis so bekannter Naturforscher wie Kepler, Planck, Einstein und Heisenberg, deren Namen bei der Benennung von Schulen ähnlich oft auftauchen. Wer war dieser Mann, der neben dem Nobelpreis im Laufe seines Lebens fünfzig weitere Auszeichnungen und Ehrendoktorate erhielt? War es allein die epochemachende Entdeckung der Uranspaltung, die ihn so populär werden ließ, oder war es die "Göttinger Erklärung der 18 Atomforscher" gegen die atomare Bewaffnung der BRD? War es seine Persönlichkeit, in der in glücklicher Weise Aufrichtigkeit und Bescheidenheit, Charme und Mut gemischt waren? Woher stammte dieser Wissenschaftler, der als organischer Chemiker begann und durch glückliche Umstände in das völlig neuartige Gebiet der Radiumforschung gelangte? Otto Hahn wurde am 8. März 1879 in Frankfurt am Main als jüngstes Kind einer Handwerkerfamilie geboren. Sein Vater Heinrich Hahn kam 1866 in diese Stadt und erwarb sich mit seiner Glaserei in den Gründerjahren bürgerlichen Wohlstand. Diese Firma - Glasbau Hahn - besteht bis auf den heutigen Tag. Der Vater war Bauherr mehrerer Häuser, und so sollte Otto den Architektenberuf ergreifen. Deswegen machte er auch als einziger seiner leiblichen Brüder Abitur. Zeitlebens bedauerte er allerdings, "nur" auf einer Oberrealschule gewesen zu sein und nicht, wie sein Stiefbruder, auf dem humanistischen Gymnasium. Umso größer war dann jedesmal die Überrachsung, wenn er seitenweise Homer im Original zitierte. Er hatte die Texte von diesem Bruder gelernt und konnte sie noch nach Jahrzehnten auswendig! Ein Zeichen seines hervorragenden Gedächtnisses. Im gleichen Jahr 1897, als er das Abitur ablegte, ging er nach Marburg zum Studium der Chemie. Dieser Wunsch hatte sich zum Ende seiner Schulzeit herauskristallisiert, und es spricht für die Großzügigkeit seiner Eltern, die dies offensichtlich akzeptierten. Er genoss das studentische Leben in vollen Zügen. In seiner Autobiographie schreibt er: "Das Ganze war der gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts übliche Ausbildungsgang eines jungen Chemiestudenten, der keinen weiteren Ehrgeiz hatte und sich sonst das Leben so angenehm wie möglich machte." Seinen Eltern kamen offenbar manchmal Zweifel an seinem Studienerfolg, und der Vater bemerkte sarkastisch: "Mein Sohn ist in Marburg und trinkt Bier." Um so größer war dann sicher die Freude, als er im Jahre 1901 mit "magna cum laude" in organischer Chemie promovierte.
Nach einjährigem Militärdienst übernahm er bei seinem Doktorvater eine auf zwei Jahre befristete Assistentenstelle; danach wollte er in die Industrie. Selbst in dieser Zeit zeigt sich bei ihm keinerlei eigene Initiative zum Forschen und Publizieren. Otto Hahn wurde nun eine Stelle angeboten, die mit einer Auslandstätigkeit verbunden sein sollte. Deswegen ging er 1904 auf eigene Kosten für ein halbes Jahr nach London, um seine Englischkenntnisse zu verbessern. Sein Doktorvater vermittelte ihm eine Arbeitsmöglichkeit bei Sir William Ramsay, dem weltbekannten Entdeckerder Edelgase. In dessen Labor beschäftigte man sich auch mit der Radioaktivität. Dieses Phänomen hatte Becquerel kurz vor der Jahrhundertwende in Paris an Uransalzen entdeckt. Marie Curie, seine Schülerin, und ihr Ehemann Pierre fanden bei weiteren Untersuchungen zwei neue stärker strahlende Elemente, das Radium und das Polonium. Otto Hahn sollte nun im Ramsay'schen Labor aus mehr als 100g Bariumsalz die darin enthaltenen 10 mg Radium abtrennen. Auf seinen Einwand hin, er habe von diesem Gebiet keine Ahnung, meinte Ramsay großzügig, damit könne er umso unbefangener an die Arbeit gehen. Auf Anhieb gelang ihm nicht nur die Abtrennung des Radiums sehr gut, sondern er entdeckte dabei noch ein neues radioaktives Isotop, das Radiothorium. Ramsay war begeistert und riet ihm, bei der Radiumforschung zu bleiben. Otto Hahn stimmte zu und wurde innerhalb weniger Jahre zu einem bekannten Fachmann auf diesem Gebiet. Ramsay empfahl ihn dem Nobelpreisträger Emil Fischer in Berlin. Ein Satz aus dem Empfehlungsschreiben an diesen lautete: "Ich bin sehr frappiert gewesen über die Kühnheit, Geschicklichkeit und Ausdauer von Dr. Hahn." Emil Fischer akzeptierte und stellte einen Arbeitsplatz zur Verfügung; allerdings ohne Bezahlung. Damit war der Bann gebrochen. Otto Hahn versuchte nun zielstrebig, seine Kenntnisse über die Radioaktivität zu vertiefen. Deshalb schrieb er an Ernest Rutherford in Montreal, den besten Kenner der Materie. Auch der Arbeitsaufenthalt in Montreal war äußerst erfolgreich. Rutherford hatte die Natur der radioaktiven Strahlung aufgeklärt und eine Theorie über den Atombau entwickelt. Er war zunächst gegenüber dem Neuling aus Deutschland und dessen Entdeckung eher skeptisch. Genau so war es sein Kollege Boltwood. Dieser schrieb 1905 an Rutherford: "Ich bin noch davon überzeugt, dass es sich nur um eine neue Verbindung von Thorium X und Dummheit handelt." Bald musste sich Rutherford allerdings eines besseren belehren lassen. Er musste nicht nur die Entdeckung Hahns aus London anerkennen, sondern sehen, wie Hahn in seinem Labor 1906 das Radioactinium entdeckte, das von seinen Mitarbeitern übersehen worden war. Respektvoll äußerte sich Rutherford später: "Hahn hat einen besonderen Riecher für die Entdeckung neuer Elemente." Glückliche Umstände halfen dem Deutschen auch hier, wie er immer wieder betonte. Wichtiger aber war seine Arbeitshaltung. Kleinste Abweichungen in Meßreihen, die andere oft gar nicht bemerkten oder für Fehler hielten, führten ihn zu seinen Entdeckungen. Sein Credo hing später als Gebet eines Forschers aus dem Roman "Dr.med. Arrowsmith" von Sinclair Lewis in seinem Labor:
"Gott schenke mir klaren Blick und Freiheit ohne Hast.
Gott schenke mir stillen, unerbittlichen Hass gegen allen falschen Schein, gegen Anmaßung und gegen nachlässige und halbfertige Arbeit.
Gott schenke mir Ruhelosigkeit, dass ich weder Schlaf noch Lob empfangen mag, bis die Resultate meiner Beobachtungen sich mit den Resultaten meiner Berechnungen decken oder bis ich mit heiligem Feuer dem Fehler zu Leibe gegangen bin und ihn bezwungen habe.
Gott schenke mir die Kraft, selbst Gott nicht blind zu vertrauen!"
Auch das Jahr 1907 war ungemein ereignisreich. Zurück aus Kanada, fand er bei seiner ersten eigenen wissenschaftlichen Untersuchung das Mesothorium. Er habilitierte sich an der Universtität Berlin für Chemie, und es begann die dreißigjährige intensive Zusammenarbeit und Freundschaft mit der Physikerin Lise Meitner. Das Mesothorium sorgte sogar für Aufsehen in der Presse. Es war nämlich wesentlich preiswerter als das inzwischen sehr teure Radium und konnte in der Medizin als Ersatzpräparat bei Bestrahlungen eingesetzt werden. Zudem war es Anlaß für eine hübsche Anekdote. Eines Tages wurde Otto Hahn von Emil Fischer gebeten, einem Professor am Charitäkrankenhaus die Strahlung des Präparates zu erklären. Der ältere Geheimrat erzählte ihm von seinen Versuchen mit dem "Semithorium". Als Otto Hahn ihn verbessern wollte, entgegnete er: "Glauben Sie mir, junger Kollege, die Substanz heißt Semithorium". Die Jahre bis zum ersten Weltkrieg waren von rastloser Forschertätigkeit zusammen mit Lise Meitner geprägt. Aufgrund seiner weltweiten Reputation wurde er in die Internationale Radium-Standard-Kommission berufen, der u.a. auch Marie Curie und Ernest Rutherford angehörten.
Den ersten Weltkrieg erlebte Otto Hahn teils an der Front, teils in Berlin. Er wurde einer Spezialtruppe für den Gaskampf zugewiesen, die unter der Leitung von Prof. Haber stand. Dieser hatte vor dem Krieg an der TH Karlsruhe die Ammoniak-Synthese
entwickelt, ein für die Düngemittel- und Sprengstoffchemie äußerst wichtiges Verfahren.
Auch in den Zwischenkriegsjahren forschten Hahn und Meitner äußerst erfolgreich miteinander. Ihr Arbeitsplatz war das Kaiser-Wilhelm Institut in Berlin-Dahlem; er vertrat die Kernchemie, sie die Kernphysik. Im Laufe der Jahre bekamen ihre Abteilungen mehr und mehr Mitarbeiter. Das tat der guten Zusammenarbeit allerdings keinen Abbruch. Lise Meitner schreibt: "In dieser Arbeitsgemeinschaft herrschte ein guter Geist und eine fröhliche Stimmung. Ein Widerschein Hahns Persönlichkeit..... Es war ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit vorhanden, dessen Grundlage gegenseitiges Vertrauen war." So wird auch folgende Anekdote glaubhaft und verständlich. Lise Meitner und Otto Hahn standen diskutierend im Kaiser-Wilhelm-Institut und Hahn hatte gerade eine Ansicht geäußert, die Frau Meitner nicht zusagte. Ein Beobachter im Treppenhaus hörte daraufhin von Frau Meitner folgenden klassischen Ausspruch: "Hähnchen, von Physik verstehst Du nichts, geh nach oben."
Im März 1933 reiste Otto Hahn zu einer Gastprofessur in die Vereinigten Staaten; er musste sie allerdings wegen der Ereignisse am KaiserWilhelm-Institut für physikalische Chemie abbrechen. Dessen Direktor, der schon erwähnte Prof. Haber, war aus Protest gegen die Entlassung jüdischer Mitarbeiter zurückgetreten und ging ins Exil. Hahn übernahm für kurze Zeit die kommissarische Leitung. Die gleichen Gründe führten zum Ausschluss Lise Meitners von der Universität Berlin und zum Entzug ihrer Lehrbefugnis. Aufgrund dieser Vorgänge erklärte Otto Hahn Anfang 1934 seinen Austritt aus der Universität, nachdem er sich vorher schon geweigert hatte, der NSDAP beizutreten. Beides sind Zeugnisse seiner politischen Überzeugung und seines persönlichen Mutes. Seine Zivilcourage stellte er im folgenden Jahr erneut unter Beweis. Prof. Haber war in der Schweiz verstorben. Max Planck regte eine Gedenkfeier anläßlich des 1.Todestages an. Sie wurde vom Preußischen Kultusministerium und der NSDAP für Universitätsangehörige verboten. Die Gedächtnisrede am 29. Januar 1935 hält Otto Hahn! Trotz dieser turbulenten Ereignisse ging die wissenschaftliche Arbeit weiter. Viele Institutsleiter ziehen sich mit zunehmender Bekanntheit aus dem Labor zurück, nicht so Otto Hahn. Bis Kriegsende nahm er aktiv an allen Versuchen teil. In den dreißiger Jahren ereigneten sich wichtige Dinge in der Kernphysik. U.a. wurde das von Rutherford vorhergesagte Neutron entdeckt. Es besitzt die Masse 1 und, da es neutral ist, dringt es mühelos in den positiv geladenen Atomkern ein. Man glaubte durch Beschuss von Uran mit Neutronen Elemente herstellen zu können, die schwerer als Uran sind, die Transurane. Davon war besonders Enrico Fermi in Italien überzeugt. Diese Versuche nahmen Hahn, Meitner und Straßmann auf und unterlagen zunächst den gleichen Irrtümern! Am dramatischen Höhepunkt dieser Arbeiten musste Lise Meitner emigrieren. Sie verließ illegal Deutschland und gelangte über Holland nach Schweden. Im Dezember 1938 sahen sich Hahn und Straßmann gezwungen anzunehmen, dass keine Transurane entstehen, sondern dass der Urankern in etwa gleich schwere Hälften zerplatzt. Sofort schrieben sie an Lise Meitner in Stockholm, ob sie so etwas für möglich halte und eine theoretische Erklärung dafür habe. Weitere Versuche erhärteten die umwälzende Entdeckung, und am 10. Februar 1939 erschien die entscheidende Veröffentlichung. Ein neues Zeitalter war geboren, das Atomzeitalter. In der Zwischenzeit hatte Lise Meitner zusammen mit ihrem Neffen 0.R. Frisch eine theoretische Deutung dieses Prozesses gefunden; er prägte den Begriff "Spaltung". Innerhalb weniger Wochen wurden nun die Ergebnisse aus Berlin von Labors in aller Welt bestätigt. Bereits im Juni 1939 veröffentlichte Siegfried Flügge vom Hahnschen Institut konkrete Vorstellungen über den technischen Nutzen der Kernenergie.
Bei Kriegsende wurde Otto Hahn mit neun prominenten Physikern verhaftet und bis Januar 1946 in Farmhall in England interniert. Hier trifft ihn die erschütternde Nachricht von den Atombombenabwürfen in Japan. Er ist zutiefst deprimiert. Am 15. November erreichte ihn die offizielle Bekanntgabe der Nobelpreisverleihung. Als sich die Rückkehr nach Deutschland abzeichnete, wurde Silvester zünftig gefeiert, und C.F. v. Weizsäcker trug Limericks vor, die das bezeugen:
Es waren zehn Forscher in Farmhall,
Die galten als furchtbar "Uran-voll".
Beim Jüngsten Gericht
Erschienen sie nicht,
Denn sie saßen noch immer in Farmhall.
Er war ein Spalter atomischer Sphären,
Den wir alle aufs höchste verehren.
Und fragt man: Wozu
Denn das ganze Getu'?
Es ist nur wegen unsrer Karrieren
(C.F. v. Weizsäcker)

Nach der Rückkehr aus England war für Hahn die eigentlich wissenschaftliche Arbeit beendet. Im Bereich der Wissenschaftsorganisation und des gesellschaftlichen und politischen Lebens lagen allerdings noch ereignisreiche Jahre vor ihm. Am 10. Dezember 1946 empfing er aus der Hand König Gustav V. von Schweden den Nobelpreis für Chemie. Diese Auszeichnung und seine persönliche Integrität prädestinierten ihn geradezu, das höchste wissenschaftliche Amt in Deutschland zu übernehmen, die Präsidentschaft der Max-Planck-Gesellschaft; sie war Nachfolgerin der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. So ist es ganz natürlich, dass er immer wieder öffentlich Stellung nahm zur Verantwortung der Wissenschaft und zur Nutzung der Atomenergie. Sein Rundfunkappell von 1955 "Cobalt 60 - Gefahr oder Segen für die Menschheit" wurde in ganz Europa gesendet und von der internationalen Presse gedruckt. Das größte Aufsehen in diesem Jahr erregte die von ihm initiierte "Mainauer Kundgebung der Nobelpreisträger". In ihr appellierten sie an die Nationen der Welt, auf Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Zwei Jahre später kam es zu einer heftigen Kontroverse mit Bundeskanzler Adenauer und dessen Verteidigungsminister Strauß. Otto Hahn und 17 Kollegen protestierten in der "Göttinger Erklärung der 18 Atomforscher" gegen die atomare Bewaffnung der BRD. Eine letzte große Ehrung wurde ihm 1966 zuteil. Zusammen mit Lise Meitner und Fritz Straßmann empfing er aus der Hand des amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson den "Enrico-Fermi-Preis" der amerikanischen Atomenergiekommission.
Am 28. Juli 1968 stirbt Otto Hahn in Göttingen. Ein reiches wissenschaftliches Leben ist zu Ende gegangen. Im eigenartigen Gegensatz dazu betonte er immer wieder das Glück, das seinen Forschungen zur Seite stand. Als er sich in diesem Sinne wieder einmal zu Max Planck äußerte, meinte dieser, dass es sehr wohl Verdienst ohne Glück, aber niemals Glück ohne Verdienst geben könne.


Dieses Referat wurde eingesandt vom User: B*da



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