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Lebenskunst in der Philosophie - Referat



„Lebenskunst – Was wir von den alten Philosophen für unseren Alltag lernen können“ lautet der Titel der aktuellen Ausgabe der bekannten psychologischen Fachzeitschrift Psychologie Heute (Unverzagt, 2017). Doch was ist Lebenskunst und wieso ist sie heutzutage noch relevant? Die Lebenskunst stammt ursprünglich aus der Philosophie und bedeutet „das Leben auf reflektierte Weise zu führen und es nicht unbewusst einfach nur dahingehen zu lassen“ (Schmid, 1998, S. 10). Die Intention der philosophischen Lebenskunst besteht darin, dem Menschen zu Glück zu verhelfen (Fellmann, 2009). Damit stellt sich diese der Frage nach einem glücklichen Leben und einer gelungenen Lebensführung. Bereits in der Antike war Aristoteles der Ansicht, dass Menschen nach Glück und einem erfüllten Leben streben und dass man Glück erlernen kann (Martens, 2014). Auch heutzutage haben Menschen ein tiefes Bedürfnis, glücklich zu sein. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen können sie 40 Prozent ihres Glücksempfindens durch ihre Gedanken und Handlungen aktiv steuern, während 50 Prozent durch genetische Veranlagung und 10 Prozent durch Umgebungsfaktoren bestimmt werden (Lyubomirsky, 2008). Doch was verstehen Menschen unter Glück und wieso ist dieses für sie erstrebenswert? Menschliches Glück ist eine höchst subjektive Angelegenheit, lässt sich aber gemeinhin als persönliches Wohlbefinden definieren (Martens, 2014). Es teilt sich zum einen in die Glücksmomente, die zeitlich begrenzt sind, und zum anderen in das Glück, das zu einem gelungenen und erfüllten Leben führt. Studien belegen, dass glückliche Menschen ein stärkeres Immunsystem haben (Stone, 1994) und eine bessere Gesundheit über den gesamten Lebensverlauf aufweisen (Frijters et al., 2005). Doch nicht nur die bessere Gesundheit ist ein Argument für das Glücklichsein, denn glückliche Menschen haben auch stabilere Beziehungen und verfügen über mehr soziale Kontakte (Myers, 2000). Sie kommen zudem mit Widrigkeiten im Leben eher zurecht, da sie über bessere Bewältigungsstrategien verfügen. Doch wie steht es um das Glück und das Wohlbefinden in der heutigen Gesellschaft und wie kann die Lebenskunst den Menschen zu mehr Glück verhelfen? Die weltweit hohe Prävalenz von depressiver Symptomatik bereits bei jungen Menschen (Lewinsohn et al., 1993) und der stark ansteigende Verbrauch von Antidepressiva in Deutschland (OECD, 2013) sind ein Indiz für das geringe Wohlbefinden vieler Menschen. Die moderne Zeit birgt eine Vielzahl von Problemen, die das Glück und Wohlbefinden der Menschen gefährden. Mag sie dem einzelnen zwar zu einer großen Freiheit verhelfen, stellt sie ihn doch zugleich vor enorme Herausforderungen, da sie einen erheblichen Verlust von Traditionen, Konventionen und Religion mit sich bringt und den Menschen immer stärker auf sich selbst verweist (Schmid, 2007). In der modernen Zeit lösen sich die Zusammenhänge des Lebens, in denen der Mensch Halt findet, auf und damit auch der Sinn des Lebens selbst (Schmid, 2007). Das Konzept der Lebenskunst könnte helfen, all das Wesentliche für ein gutes Leben zu rekonstruieren und neuen Sinn herzustellen (Schmid, 2007). Die Philosophie der Lebenskunst trägt dazu einen erheblichen Teil bei, indem sie die ethische Grundfrage („Was ist“-Frage) stellt und zur Reflexion anregt, um neue Möglichkeiten für eine gute Lebensführung zu eröffnen (Schmid, 1998). Neben der Philosophie beschäftigt sich seit den 1990er-Jahren auch die Psychologie als Wissenschaft mit den Themen Glück und Wohlbefinden. Die Positive Psychologie ist eine neue Forschungsrichtung der akademischen Psychologie und untersucht, was das Leben lebenswert macht (Blickhan, 2015). Als einer der Begründer der Positiven Psychologie gilt Martin Seligman, der sich dafür ausspricht, dass die Psychologie neben der Linderung von Krankheiten auch die Förderung von Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und psychischer Leistungsfähigkeit zum Ziel haben muss (Blickhan, 2017). Damit unterstützt er die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Gesundheit als „Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ bezeichnet. In seiner ursprünglichen Theorie zum authentischen Glück nennt Seligman (2012) drei Elemente, die maßgeblich zur Lebenszufriedenheit des Menschen beitragen sollen: Positives Gefühl, das mit einem angenehmen Leben assoziiert werden kann, Engagement, welches mit Flow-Erleben einhergeht und Sinn, der dem Leben Bedeutung schenkt. In seiner neueren Theorie zum Wohlbefinden ersetzt er den Begriff des Glücks, welcher durch seine zu häufige Verwendung an Bedeutung verloren hat, durch den des Wohlbefindens und ergänzt die ursprünglichen drei Elemente durch zwei weitere: Positive Beziehungen und Erfolg im Sinne von Zielerreichung und Selbstwirksamkeitserleben (Seligman, 2012). Um Wohlbefinden im Sinne der Lebenskunst zu erhöhen, entwickelten Schmitz und Schmidt (2014) das holistische, psychologische Konstrukt Lebenskunst ausgehend vom philosophischen Lebenskunst-Konzept nach Wilhelm Schmid (1998). So haben sich die Autorinnen für ein Lebenskunst-Training bei Grundschulkindern entschieden, um diese möglichst früh an das Thema Lebenskunst heranzuführen und ihnen so die Chance auf ein gesteigertes Wohlbefinden zu eröffnen. In diesem Sinne und im Sinne der Lebenskunst selbst, die vom Erwerb von Fähigkeiten und Können lebt (Schmid, 2007), ist das Ziel der
vorliegenden Untersuchung die Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines Lebenskunst-Trainings für Grundschulkinder. Diese sollen dadurch Lebenskunst-Fähigkeiten möglichst frühzeitig erlernen, welche ihnen langfristig zu einem erhöhten Wohlbefinden verhelfen können.

Mit dem Ursprung in der abendländischen Philosophie im 6. Jahrhundert vor Christus beschäftigte die Lebenskunst bereits die antiken Philosophen. Das Bedürfnis nach einer bewussten Lebensführung beschäftigt die Menschen seit jeher. Wilhelm Schmid versteht unter Lebenskunst, „das Leben auf reflektierte Weise zu führen und es nicht unbewusst einfach nur dahingehen zu lassen“ (Schmid, 1998, S.10). Somit ist die Lebenskunst für ihn eine „bewusste, überlegte Lebensführung“, die „wenn sie gewählt wird, mühevoll und doch auch eine Quelle der Erfüllung ohnegleichen“ ist (Schmid, 2007, S.9f.). Die Lebenskunst kann dazu dienen, „die Fülle des Lebens in ihrer ganzen Spannweite zu erfahren“ (Schmid, 1998, S.13) und dem Individuum mit Arbeit „ein vervielfachtes Leben in einer einzigen Existenz“ (Schmid, 1998, S.13f.) zu ermöglichen. Sie soll das einzelne Individuum in seiner bewussten Lebensführung unterstützen und ihm durch eine Anleitung zur Reflexion optativ neue Handlungsspielräume eröffnen (Schmid, 1998). Dabei stärkt die Lebenskunst das einzelne Individuum von innen heraus und befähigt es zu seiner Selbstaneignung, sodass es den Zumutungen von außen besser entgegentreten kann (Schmid, 1998). So kann es durch die Arbeit an seinem Selbst, sich selbst zum Kunstwerk machen, gemäß dem Motto: „Der Mensch ist das Werk“ (Schmid, 2005, S. 25). Doch was kann der Mensch konkret tun und wie kann die Lebenskunst ihm zu einem glücklichen Leben verhelfen? Schmids Antwort darauf lautet: Es geht um „Übungen und Techniken, mit deren Hilfe dem Leben Form gegeben werden kann“, welche auf den „Umgang mit Lüsten, Schmerzen, Tod, Zeit, Affekten, Widersprüchen, Ironie, Melancholie, Gelassenheit“ abzielen, um sich letztendlich ein schönes Leben zu bereiten (Schmid, 2005, S.32f.). „Der Anstoß dazu, es schön zu gestalten [komme] von der Sehnsucht nach der Möglichkeit, es voll bejahen zu können“ (Schmid, 2005, S. 191). So lautet der existenzielle Imperativ: „Gestalte dein Leben so, dass es bejahenswert ist“ (Schmid, 2005, S. 191), um dem Menschen zu einem erfüllten Leben zu verhelfen.
Unverzagt, G. (2017). Lebenskunst - Was wir von den alten Philosophen für unseren Alltag lernen können. Psychologie Heute, 44(4), 18-24.

Literatur:
Fellmann, F. (2009). Philosophie der Lebenskunst zur Einführung. Hamburg: Junius.
Martens, J.-U. (2014). Glück in Psychologie, Philosophie und im Alltag. Stuttgart: Kohlhammer.
Lyubomirsky, S. (2008). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main. Campus.
Stone, A. (1994). Daily Events are associated with a secretory immune response to an oral antigen in men. Health Psychology, 13, 440-446.
Fritjers, P, Haisken-DeNew, J. & Shilds, M. A. (2005). Socio-economic status, health shocks, life satisfaction and mortality. Bonn: IZA Discussion Paper 1488.
Lewinsohn, P.M., Rohde, P., Seeley, J.R. & Fischer, S.A. (1993) Age-cohort changes in the lifetime occurrence of depression and other mental disorders, Journal of Abnormal Psychology, 102, 110–120.
Blickhan, D. (2017). Anleitung zum Glücklichsein. Studie über die Wirkung von Ausbildungen in Angewandter Positiver Psychologie auf Wohlbefinden und Flourishing der Teilnehmenden. Dissertation, Freie Universität Berlin.
Seligman, M.E.P. (2012). Flourish - wie Menschen aufblühen: Die positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
Schmitz, B., & Schmidt, A. (2014). Entwicklung eines Fragebogens zur Lebenskunst. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 61(4), 252–266.
Schmid, W. (1998). Philosophie der Lebenskunst: Eine Grundlegung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schmid, W. (2007). Mit sich selbst befreundet sein: Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schmid, W. (2005). Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst. Frankfurt am Main: Suhrkamp.



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