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Effi Briest - Erörterung - Referat



Erörterung Theodor Fontane „Was soll ein Roman?“

Zitat Fontanes:
„Was soll ein Roman? Er soll uns unter Vermeidung alles Übertriebenen und Häßlichen eine Geschichte erzählen, an die wir glauben. Er soll zu unserer Phantasie und unserem Herzen sprechen, Anregung geben, ohne aufzuregen; er soll uns eine Welt der Fiktion auf Augenblicke als eine Welt der Wirklichkeit erscheinen, soll uns weinen und lachen, hoffen und fürchten, am Schluss aber empfinden lassen, teils unter lieben und angenehmen, teils unter charaktervollen Menschen gelebt zu haben, deren Umgang uns schöne Stunden bereitete, uns förderte, klärte und belehrte.
Der Roman soll ein Bild der Zeit sein, der wir selber angehören, mindestens die Widerspiegelung eines Lebens, an dessen Grenzen wir selbst noch standen oder von dem unsere Eltern noch erzählten.“

Voller Hingabe und in mühe- aber auch liebevoller Arbeit, unter Zugabe von Anstrengung und Kreativität entsteht ein kleines, aus eigener Kraft und eigenem Enthusiasmus geschaffenes, persönliches Werk. Doch die Anforderungen an uns selbst zwingen uns oftmals zu einem selbstkritischen Blick auf das oftmals von fremden Augen bewunderte Werk und lassen ein Gefühl der Unzufriedenheit aufkommen. Erst nachdem Veränderungen bzw. Überarbeitungen bis hin zum „vollkommen zufriedenen Werk“ getätigt wurden, können wir unseren persönlichen Anspruchs- und Erwartungshaltungen als erfüllt betrachten. Kann sich nicht jeder von uns glücklich schätzen, der das befreiende Gefühl nach gelungener und zufriedener Arbeit erfährt?
Doch kann sich auch ein Schriftsteller wie Theodor Fontane zufrieden zurücklehnen und seine Anforderungen und Erwartungen an einen Roman wie „Effi Briest“ als umgesetzt betrachten? Erscheint dieses Werk nicht übertrieben in die Länge gezogen sowie detailliert und ermüdend langweilig?

Der Roman erzählt von einer „berührenden Frauengestalt“, die auf Grund der Kommunikationsunfähigkeit ihrer selbst sowie ihrer an veralteten Traditionen festhaltenden Umwelt und ihrer Ohnmacht, Sehnsüchte zu erfüllen, scheitert.
Theodor Fontane schreibt 1875 seine Erwartungshaltungen an die Literatur, besonders an einen erzählenden Prosatext, in „Was soll ein Roman?“ nieder. Hiermit überlässt er den Rezipienten seines Romans „Effi Briest“ die Möglichkeit eines Einblicks in persönliche, schriftstellerische Anforderungen und die Kritikübung an deren Erfüllung.
Fontane beginnt mit der Anforderung der „Vermeidung alles Übertriebenen“ in einem Roman. Diese Ausformulierung kennzeichnet den Verzicht auf außergewöhnliche und fiktiv erscheinende Erlebnisse einer Romanfigur sowie den Verzicht auf eine ungewöhnliche Sprach- und Ausdrucksweise mit seltenen oder sogar neu erfundenen Redewendungen. Fontane fordert „glatte“, unscheinbare, die Intention seines Werkes unterstützende, Elemente, die den Leser Aufregung und Unverständnis ersparen. Diese Vermeidung spiegelt sich im Besonderen im Inhalt der Geschichte wider. Fontane beschreibt keinen aufregenden, spannungsgeladenen Abenteuerroman, sondern schildert eine zeittypische Standesehe zwischen der jungen, kindlich naiven Effi und dem erwachsenen, disziplinierten Innstetten, die bis zur Scheidung oberflächlich und ohne “Unregelmäßigkeiten“ verläuft.
Des Weiteren wird der Autor seinen Anforderungen des Verzichts gerecht indem er eine einfache und nüchterne Sprache anwendet. Der Satzbau des Romans „Effi Briest“ ist klar und überschaubar, ohne übertriebe Länge und Wortwahl, und ermöglicht den Rezipienten ein fließendes Lesen und Verstehen. Altbekannte umgangssprachliche Redewendungen wie „Mir brennt hier der Boden unter den Füßen“ können von der breiten Masse verstanden werden und lassen gesellschaftskritische Aspekte für Jedermann verdeutlichen.
Bezieht man das Duell zwischen Innstetten und Crampas in die Betrachtung der Vermeidung des Übertriebenen mit ein, erscheint es dem Leser vorerst als ein Widerspruch. Dabei muss man jedoch bedenken, dass das Duell zu Fontanes Zeiten ein allgemein akzeptiertes Ritual der starren, konventionellen Adelsgesellschaft darstellte und somit im Roman nichts Ungewöhnliches oder Übertriebenes aufzeigt. Dieses Ereignis lässt sich vielmehr als Beispiel für die Vermeidung alles Hässlichen nennen, eine weitere Anforderung-und Erwartungshaltung Fontanes. Anstatt das Duell voller Spannung, Emotionen, Aufregung und typischer Bilder von Mordszenarien zu schildern nimmt dessen Beschreibung gerade eine nüchterne, emotionslose Zeile des 250 Seiten langen Romans ein „alles erledigte sich rasch; und die Schüsse fielen. Crampas stürzte“.
Ein weiterführendes Argument zur Unterstreichung des Verzichts auf Hässliches, zeigt sich in der Art und Weise des Ablaufs der Scheidung der Ehe zwischen Effi und Innstetten. Auch bei diesem für gewöhnlich schmerzlichen Ereignis übergeht der Autor eine intensive Darstellung von hasserfüllten und lauten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Scheidungspartnern. Während sich Effi zum Zwecke der Erholung auf eine Kurreise befindet, erhält sie einen Brief aus Hohen-Cremmen, der sie über die ungeahnte Beendigung ihrer Ehe sowie über den Entzug ihrer eigenen Tochter informiert „eine Rückkehr in mein Haus gibt es nicht, in ein paar Wochen wird die Scheidung ausgesprochen sein und das Kind wird man den Vater lassen“. Aufgrund der fehlenden Kommunikation zwischen den Protagonisten, erspart Fontane dem Rezipienten hässliche Trennungsszenen, welche zusätzlich unmittelbar mit der Entfremdung der Tochter in Verbindung steht.
Laut Theodor Fontane soll im Roman eine Geschichte erzählt werden, „an die wir glauben“. In seinem Werk „Effi Briest“ wird diese Erwartungshaltung primär bestätigt, da der Inhalt der Erzählung auf einer authentischen Quelle beruht.
Zusätzlich lässt sich feststellen, dass die Geschichte der „Effi Briest“ mit ihren Höhen und Tiefen glaubwürdig erscheint. Aufgrund der detailgetreuen Beschreibungen und Schilderungen des eintönigen Alltagslebens wird dem Leser ein genaues Bild über das zu seiner Zeit existierende „tyrannisierende Gesellschaftsetwas“ vermittelt. Fontane entlarvt die falsche Moral der kühlen, pedantischen Gesellschaft und zeigt die barbarischen, jedoch lautlos anerkannten Traditionen besonders im Duell zwischen den prinzipientreuen Innstetten und dem lebensfrohen Crampas sowie im kalten Umgang des Ehemanns mit seiner Frau.
„Er soll zu unserer Phantasie und unserem Herzen sprechen“ – so der Wortlaut einer weiteren Anforderung Fontanes an einen Prosatext. Dieser Erwartung wird er in der bedingungslosen Einsicht in Effis Gefühlswelt gerecht. Die Affäre zwischen dem verführerähnlichen Crampas und der attraktiven Effi sprechen eine stürmisch, romantische Gefühlsebene an und verleiht dem Roman ein Fünkchen Leidenschaft.
Unter Verwendung der Spukgeschichten, auf die Effi mit heftigen Emotionsausbrüchen reagiert „Sie sah reizend
aus, ganz blass, und stürzte sich auf Johanna. Als sie aber Innstettens ansichtig wurde, stürzte sie auf ihn zu und umarmte und küsste ihn. Und dabei liefen ihre die Tränen übers Gesicht“, lässt der Autor den Leser mit der unter Einsamkeit leidenden, jungen Frau fühlen oder Partei ergreifen „Sie war außer sich und hielt das Halsband von Rollo“. Die detailgetreuen und ausholenden Beschreibungen des Innenlebens der Hauptfigur eröffnen dem Rezipienten zusätzlich die Möglichkeit sich in ihre Lage zu versetzen und ihre Handlungen nachzuvollziehen, ohne große Anstrengungen vorzunehmen.
Die Einarbeitung der unheimlich wirkenden Ausstattung des Hauses in Kessin, das Krokodil, der Haifisch „das Ungetüm“ oder das „merkwürdige“ Schiff den Flurbalken schmückend, und die ängstigende Geschichte um den Chinesen, sprechen unweigerlich zur Phantasiewelt des Lesers. „Anregung geben(d), ohne aufzuregen“ übermittelt uns der Autor eine „Welt der Fiktion“ mit leichten Spukelementen.
Ein Roman „soll uns weinen und lachen, hoffen und fürchten, am Schluß aber empfinden lassen, teils unter lieben und angenehmen, teils unter charaktervollen Menschen gelebt zu haben“. Die in Effis Wesen wiedergegebenen Gefühlseindrücke lösen beim Rezipienten das Empfinden aus, ein beobachtender Teil ihres fiktiven aber wirklichkeitsnah erscheinenden Lebens gewesen zu sein. Hierbei stellt Fontane den charakterfesten, kühlen und tugendhaften Innstetten vor, der, das Ergebnis einer Erziehung voller Zucht und Ordnung aufzeigend, das wahre Gesicht der korrupten Adelsgesellschaft zu spät erkennt. Dem Ehemann wird in der lebhaften, leidenschaftlichen und geselligen Effi ein absoluter Gegenpol geboten. In der Darstellung der zwei unterschiedlichsten Ehepartner wird der Autor einer weiteren Erwartungs- und Anforderungshaltung gerecht.
Fontane erwartet von einem Roman, dass er „uns förderte, klärte und belehrte“.
Der Leser ist bestrebt Licht in die missglückte Beziehung der Protagonisten zu bringen. Er wird indirekt vom Autor aufgefordert, seine Eindrücke oder Verwunderungen zu klären. Hierfür lassen sich erneut die Geschehnissen
um den Spuk anführen. Der Rezipient ist bestrebt deren manchmal unpassend erscheinende Funktion zu beleuchten und zu erkennen. Die Erzeugung einer Spannungshaltung oder die Disziplinierung Effis durch Innstetten weisen auf Beispiele deren Bedeutung.
Die Beschreibungen der konventionellen Alltagssituationen übermitteln „ein Bild der Zeit“, welches in ’Nachforschungen’ über ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen ist. Somit informiert und klärt der Schriftsteller über die Verhältnisse seiner Zeit auf. Belehrungen bzw. Lehren sind sowohl von Effis Tragik als auch vom Bild des Gesamtromans für jeden individuell abzuleiten. Zum einen wird der Rezipient zur Nachdenklichkeit seiner persönlichen Rolle und der Problematik seiner gesellschaftlichen Umgebung angeregt. Zum anderen zeigt Fontane Folgen auf, wie physisch und psychisch zehrend seelische Vereinsamung und Erschöpfung, gesellschaftlicher und besonders familiärer Ausschluss und unerfüllte Sehnsucht nach Zuneigung sein können – die kränkelnde Effi stirbt, in ihren Heimatort zurück gekehrt, im jungen Alter.
Fontane fordert außerdem von einem Roman „die Widerspiegelung eines Lebens, an dessen Grenzen wir selbst noch standen oder von dem unsere Eltern noch erzählten“. Sicherlich befanden sich viele Menschen schon einmal in seelischen Notständen und kollidierten mit den Grenzen emotioneller Fähigkeiten. Die unerfüllten Sehnsüchte der lebens- und abenteuerlustigen Effi verzerrten ihren anspruchsvollen Lebensgeist und ließen sie auf ungeahnte, dunkle Wege entgleisen. Der Schriftsteller zeigt mit Hilfe des tragischen Schicksals, wie ein Mensch unbewusst und durch oberflächliche soziale Einflüsse, „Er ist … ein Mann von Charakter, von Stellung und guten Sitten, und wenn du nicht ‚nein’ sagst, was ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann, so stehst du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit vierzig stehen“, und dem Drang nach einer gesellschaftlich, repräsentativen Etikette, seine natürliche Unbeschwertheit über das Leben verlieren kann.
Abschließend ist zu erwähnen, dass die literarische Leistung sowie Erfüllung der persönlichen Anforderungen und Erwartungen Fontanes respektvoll anzuerkennen ist.

Der Roman „Effi Briest“ erweckt auf den ersten Blick des Rezipienten der heutigen Zeit den Eindruck einer langweiligen und an unwichtigen Stellen zu detailliert geschilderten Schicksalsbeschreibung einer jungen Frau. Betrachtet man jedoch die Anforderungen und Erwartungen Fontanes seiner Zeit, so erkennt man, dass die inhaltlichen sowie stilistischen Merkmale die Intension seines Werkes unterstützen und prägen. Denn hätte er das Dilemma gesellschaftlicher Zwänge in einem Abenteuer- oder Kriminalroman so treffend und tragisch formulieren können?
Zusätzlich verdeutlicht sich die aktuelle Relevanz des Werkes, die trotz Fortschritt und Emanzipation unserer Gesellschaft Zusprechung findet. Der Leser beginnt über die persönliche Lebenssituation nachzudenken, die eigene Rolle im schnelllebigen sozialen Umfeld zu suchen und die tragende Bedeutung der Individualität zu erkennen. Trotz Schicksalsschlägen oder menschlichen Versagens zeigt sich die Wichtigkeit der Verfolgung des aus eigenen, realistischen Wünschen aufgebauten Lebensweges. Den verschleiernden Alltagstrott umgehend, sollte jeder einzelne von uns versuchen, Tag für Tag geschickt mit Abwechslung und Interesse zu würzen und dabei die ehrliche, offene Kommunikation im zwischenmenschlichen Zusammenleben nutzen um nicht an der Ohnmacht unerfüllter Sehnsüchte und Wünsche zu ersticken.

Quelle(n) für dieses Referat: keine Angaben



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