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Denken - Denkentwicklung - Referat



Denkentwicklung nach Jean Piaget
1. Jean Piaget
* 09.08.1896 in der Schweiz, Neuchâtel
† 16.09.1980 in der Schweiz, Genf
» studierte Kinderpsychologie und Pädagogik in Zürich
» war begeistert von der Entwicklung des kindlichen Denkens
» seine drei eigenen Kinder dienten als erste Beobachtungsobjekte
» führte Studien mit Kindern durch, um herauszufinden, wie sie denken, lernen zu
verstehen und Probleme lösen
» fand heraus, dass das kindliche Denken anders strukturiert ist als erwachsenes Denken
» erstellte ein Entwicklungsstufenmodell zur Entwicklung des Denkens und der Intelligenz
» ist noch heute einer der bedeutsamsten Entwicklungspsychologen

2. Definitionen und Begrifflichkeiten
„Unter kognitiver Entwicklung wird zum einen die Entwicklung jener Funktionen verstanden, die für das Erkennen und Erfassen von Gegenständen und Personen der Umgebung und der eigenen Person notwendig sind – zum anderen die Fähigkeit zum Beurteilen von Problemlösesituation.“ (Rödel, „Weiter Wissen – Pädagogik, Psychologie, Soziologie“)

Denken wird als nicht beobachtbarer psychischer Vorgang bezeichnet, in dessen Verlauf Informationen erfasst und verarbeitet werden. (Hobmair, „Psychologie“ 5. Auflage, 2013, S. 134)

Äquilibrium: Findung von Gleichgewicht zwischen Erfahrung und Umwelt, zwischen Assimilation und Akkommodation.

Adaption: Die Fähigkeit eines Individuums sich an seine Umwelt oder veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Hierfür benutzt das Individuum die Assimilation oder erweitert diese(Akkommodation).

Assimilation(Schemata): Bereits vorhandenes Wissen wird genutzt, um eine ähnlich erscheinende Situation einzuordnen. Falls nötig wird die Umwelt so verändert, dass vorhandene Schemata ausreichen, um die Situation bewältigen zu können.

Akkommodation: Ein Schema/Struktur wird an eine Situation oder einen Gegenstand angepasst und erweitert, damit diese zukünftig für eine verbesserte Problemlösung dienlich ist. (Kommt nur zustande, wenn die Assimilation nicht ausreicht, um eine Situation zu bewältigen.)

3. Grundannahmen der Denkentwicklung nach Piaget
• Jedes Individuum strebt nach einem Gleichgewicht zwischen Assimilation und Akkommodation. (=Äquilibrium)
• Geistige Entwicklung ist ein Prozess der aktiven Konstruktion, in welcher der Mensch sich interaktiv handelnd und wahrnehmend mit seiner Umwelt auseinandersetzt. (=Konstruktivismus)
• Dieser wird durch Wechselspiel von komplementären(gegensätzlichen), sich an die Umwelt aktiv anpassenden(adaptiven) Prozessen vorangetrieben. (= durch Assimilation und Akkommodation)
• Übergeordnete Denkstrukturen sind je nach kognitiven Leistungen und Beschränkungen auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung bestimmend. (= Strukturalismus)
• das Denken löst sich von Geburt an zunehmend von der sinnlichen Wahrnehmung ab und schreitet zu immer differenzierteren, abstrakteren Lösungsformen.
• Eine Veränderung dieser Gesamtstruktur liegt der geistigen Entwicklung zugrunde.
• Denken geht vom konkreten zum abstrakten indem sich die Entwicklung in Interaktion mit der Umwelt vollzieht, in der das Individuum selbst tätig ist.
• Der Mensch ist laut Jean Piaget ein offenes System, das sich die Welt durch Assimilation und Akkommodation zu Eigen macht.

4. Stadien der Denkentwicklung nach Piaget
» Die Denkentwicklung ist nach Piaget in fünf Stufen unterteilt.
» Jede nächst höhere Stufe geht aus der vorherigen Stufe hervor und transformiert oder integriert die dort angelegten Strukturen.
» Denkstrukturen der nächsten Stufe sind keine gesteigerte Version der bereits angelegten Struktur. Sie bieten Grundlage für neue geistige Leistungen, die ohne vorherige Stufen nicht möglich wären.
» Die einzelnen Stufen werden von allen Menschen in gleicher Reihenfolge durchlaufen.
» Es kann keine Stufe übersprungen werden.
» Man kann einem Kind nichts abverlangen, zu was es noch nicht in der Lage ist.

1 Stufe : Sensomotorische Intelligenz (Geburt – 2 Jahre)
» Denken zeigt sich hier noch als Leistung der Wahrnehmung, gekoppelt mit der Motorik.
» Ist aufgeteilt in 6 Stadien
1. Stadium (ca. 1-4 Monate)
Modifikation und Bestätigung angeborener Reflexe: Greif-, Saug-. Schluckreflex wird durch Übung in der Ausführung gezielter, kräftiger und sicherer.

2. Stadium (ca. 1-4 Monate)
Einfache Gewohnheiten und elementare Handlungen werden gewohnheitsmäßig, um ihrer selbst willen und unabsichtlich ausgeführt und wiederholt.
Beispielsweise: Ein Gegenstand, der dem Kind in die Hand gedrückt wird, wird automatisch umgriffen und zum Mund geführt.

3. Stadium (ca. 4-8 Monate)
Aktive Wiederholungen: der Säugling wiederholt Tätigkeiten, die zufällig einen interessanten, lustbetonten Effekt mit sich bringen. Dies geschieht unabsichtlich und ohne Mittel-Ziel-Verbindungen.
Beispielsweise: Eine Puppe singt, wenn sie gedrückt wird. Das Kind wiederholt dies, da der Gesang der Puppe interessant für das Kind ist.

4. Stadium (ca. 8-12 Monate)
Verknüpfung von Mittel und Zweck: verschiedene Verhaltensmuster werden verbunden, um bestimmten Zweck zu erreichen.
Beispielsweise: Das Kind lässt einen Schlüssel fallen, um ihn beim Fallen zu beobachten oder ihn zu hören.

5. Stadium (ca. 12-18 Monate)
Aktives Experimentieren: Aktive Mittel-Ziel-Verbindungen werden ausgeprägter und Zusammenhänge werden erkannt. Gegenstände werden als Werkzeuge benutzt, um Objekte zu erreichen. Die Problemlösefähigkeit wird durch Versuch und Irrtum geschulter.
Beispielweise: Bringt man außerhalb der Reichweite eines Kindes eine Glocke an und befestigt diese an einer Schnur, welche das Kind erreichen kann, so stellt es verschiedene Versuche an, um die Glocke zu erreichen. Bald erkennt das Kind den Zusammenhang zwischen Glocke und Schnur und nutzt diese Erkenntnis um an die Glocke zu gelangen.

Das Kind beherrscht nun langsam Objektpermanenz d.h. es findet vollständig versteckte Objekte, wenn es den letzten Ort des Verstecks sehen konnte.

6. Stadium (ca. 18-24 Monate)
Verinnerlichtes Handeln: Neue Verhaltensweisen werden nicht mehr nur durch das Ausprobieren erworben, sondern das Kind kann sich diese nun geistig vorstellen. Es beginnt das Denken im Sinne von „innerem Probehandeln“ (sog. Werkzeugdenken).
Nachahmung von Handlungen anderer und das Symbol- oder Fiktionsspiel findet statt.
Beispielsweise nutzt das Kind einen Bauklotz als Auto oder gibt vor, aus einer leeren Tasse zu trinken.

2 Stufe: symbolisches und vorbegriffliches Denken
(findet zwischen/während der 1. und 3. Stufe statt)
• Abbilden von Erfahrungen, die im Gedächtnis als Vorstellung existieren findet statt.
(=mentale Repräsentation)
• Das Kind kann zwischen realen und vorgestellten Objekten/Situationen unterscheiden.
• Objektpermanenz: Gegenstände und Personen existieren, auch wenn sie weg oder unter einem Tuch sind und somit von dem Kind nicht wahrgenommen werden (können).
• Sprachliche Symbole werden entwickelt. Sogenannte „Vorbegriffe“, die entsprechend der Vorstellung des Kindes gestaltet bzw. umgestaltet werden.
Beispielsweise: Das Kind verwendet einen Stuhl als Auto oder Zug.
• Objekte und Geschehnisse werden vermenschlicht.
Beispielsweise: Es regnet, weil die Sonne weint
• Vorgänge werden zweckgerichtet oder magisch „erklärt“.
Beispielsweise: Es schneit, weil die Menschen Ski fahren wollen.

3. Stufe: Präoperatorisch-anschauliches Denken (2-7 Jahre)
• Das Kind hat komplexere, jedoch noch sehr an die Umwelt gebundene, Vorstellungen.
• Nur anschauliche Begriffe oder Denkvorgänge sind greifbar.
Beispielsweise: Ein Fünfjähriger kennt die Tasse oder den Teller, er wird jedoch nicht den Oberbegriff „Geschirr“ verwenden.
Ausgeprägter Egozentrismus: Das Kind berücksichtigt nur eine Sichtweise und denkt, das jeder diese Sichtweise hat und über das gleiche Wissen verfügt. Es ist nicht in der Lage, andere Standpunkte bzw. andere Betrachtungsweisen einnehmen zu können.
Beispielsweise darstellbar am sogenannten Drei-Berge-Versuch nach Piaget:

Das Kind kann sich aus dem Blickfeld Position 1 nicht das Blickfeld der Position 2 oder Position 3 vorstellen - auch dann nicht, wenn es die beiden anderen Blickwinkel vorher selbst schon betrachtet hat.

• Das Kind orientiert und konzentriert sich nur an einem einzigen Faktor/Merkmal.
Beispielsweise erkennbar am Umschüttversuch nach Piaget: Wird eine Flüssigkeit von einem breiten Glas, in ein schmales Glas geschüttet, glaubt das Kind, dass sich mehr Flüssigkeit in dem hohen Glas als in dem breiten Glas befindet, da der Wasserstand optisch höher ist. Auch wenn das Kind während des Umschüttvorgangs dabei war, sieht das Kind nur das Ergebnis:
den höheren Flüssigkeitsstand.
4. Stufe: Konkret-operatorisches Denken (7-11 Jahre)
• Das Kind kann sich in Gedanken wechselseitige Beziehungen von Gegenständen oder Wahrnehmungen vorstellen.
• Denken wird unabhängiger von der Umwelt und Zusammenhänge werden klarer.
Beispielsweise: Erkennt das Kind nun beim Umschüttversuch (siehe 3. Stufe), dass gleich viel Flüssigkeit in den Gläsern ist und dass der optisch höhere Flüssigkeitsstand etwas mit der Form des Glases zutun hat.
• Das Kind wird fähig, Oberbegriffe zu bilden.
Beispielsweise: Das Kind weiß, dass Tassen, Teller und Schüsseln Geschirr sind.
• Rechnerisch: das Kind wird zuerst addieren, dann multiplizieren und erst später dividieren.
• Der Egozentrismus nimmt langsam ab und verschwindet.

5. Stufe: Formales-operatorisches Denken (ab 12 Jahre)
• Das Kind kann Hypothesen bilden und Fragestellungen wie „Was wäre, wenn…?“ oder Aussagen wie „Wenn…, dann…“ können verarbeitet werden.
Beispielsweise: Was wäre, wenn alle Menschen auf der Welt genug zu essen hätten?
• Das Kind kann über das „Denken“ selbst nachdenken und alternativen zur Realität finden.
• Es kann über vorgegebene Probleme und Informationen hinausgehen.
Beispielsweise: Das Kind weiß, wann es geboren ist und weiß, wann die Eltern geheiratet haben. Daraus kann es schlussfolgern, ob die Mutter bereits bei der Hochzeit schwanger mit ihm war.
• Rechnerisch: das Kind beherrscht abstraktes Zählen und somit algebraisches Rechnen.
50% der Intelligenzentwicklung findet in den ersten vier Jahren statt. (sog. sensible Phase = bestimmte Zeit, wo man etwas leicht erlernen und dauerhaft festigen kann.)
30% findet bis zum achten Lebensjahr statt. Die letzten 20% erreicht man bis zum 17. Lebensjahr. Dann ist die meiste Intelligenzentwicklung abgeschlossen – jedoch nicht die Wissenserweiterung.

5. Kritik an Piaget
Wiederhol- und überprüfbare Untersuchungen von Piagets Stadientheorie ergaben:

Piaget..
..hatte zu komplizierte, abstrakte Aufgabenstellungen bzw. Fragestellungen.
..unterschätzte die kognitiven Fähigkeiten von jungen Kindern und Säuglingen. ..beachtete keine sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse der Kinder. ..berücksichtigte keine anderen Bereiche wie etwa das Gedächtnis, Problemlösen,
Kreativität oder soziale Interaktionen.
..übersah die Individualität des Tempos innerhalb der Entwicklung der Kinder.
..beschrieb das Stufenmodell lediglich, ohne Erklärungen.
..vernachlässigte die Entwicklung nach dem 15. Lebensjahr.
6. Störungen in der Denkentwicklung

» Störungen der Denkentwicklung sind auch Störungen der Intelligenz
» unmittelbar nach der Geburt entstandene Intelligenzstörung. (=Oligophrenie)
» Intelligenz- oder Denkstörung die im Laufe des späteren Lebens entstehen. (= Demenz)
» Bekanntesten Intelligenzstörungen sind Alzheimer- und die Parkinsonkrankheit.

Psychisch bedingte Intelligenzstörungen sind in der Regel das Ergebnis von:
• Ablehnung und Vernachlässigung des Säuglings und Kleinkindes .
• mangelnder emotionaler Zuwendung und Reizvermittlung.
• Eineigungen des Kindes in seinem „Erforschungsdrang“.
• Starke Gefühle wie Angst oder Stress.
• Belastende Krisen in der unmittelbaren Umgebung des Kindes.
• Behauptungen von Personen über einen, die bei diesem dann Verhalten erzeugen,
welches diesen Behauptungen entspricht.

Denkstörungen:
» Treten meist in Verbindung mit einer psychischen Störung auf.
» Können bei Depressionen, Schizophrenie, Manie oder einer Zwangsstörung auftreten.
» Können durch Alkohol und Drogen verursacht werden.
Man unterscheidet 2 Arten von Denkstörungen
1. formale Denkstörungen
• Beziehen sich darauf, wie gedacht wird
• Abreißende, verlangsamte, stockende, blockierte, beschleunigte, unklare oder sich wiederholende Gedanken sind Anzeichen für Denkstörungen
• Inhaltliche, logische Zusammenhänge und Grammatik werden nicht beachtet,
• Neue Wörter werden erfunden = der Wortschatz und der Denkumfang sind eingeschränkt

2. Inhaltliche Denkstörung en
• Zwanghafte Gedanken.
• Inhalt des Denkens ist verändert.
• Denken ist nicht realitätsbezogen und unrichtig – werden aber als richtig wahrgenommen (sogenannte Wahnideen = Fehleinschätzung der Realität)

7. Besonderheiten im Verlauf der Denkentwicklung
Anthropomorphismus
» Vermenschlichung von Gegenständen
Magisches Denken
» Im Vorschulalter ist kindliche Denken oft „magisch“
» Ereignisse werden dem Wirken höherer Mächte zugeschrieben.

Hypothetisch-deduktives Denken
» Der Übergang von konkreten Operationen zu formalen Operationen ist durch
hypothetisch-deduktiven Denken gekennzeichnet.
» Logische Schlussfolgerungen und geistige Variieren von Variablen ist möglich.
» Probleme sind vollständig auf hypothetischer Ebene lösbar.

8. Förderung der Denkentwicklung
» Förderung der Denkentwicklung muss alle Persönlichkeitsbereiche beinhalten, da sie großen Einfluss auf alle Persönlichkeitsbereiche einnimmt.
» Gute, positive Bindung ist Vorrausetzung für eine gesunde, geistige Entwicklung.
» Das kindliche Explorationsbedürfnis muss innerhalb von Beziehungen respektiert und unterstützt werden, damit ausreichend Selbstvertrauen und Mut zur Umwelterforschung entwickelbar ist.
» Die Motorik beeinflusst Denken und Lernen, deshalb dient eine Förderung motorischer Fähigkeiten der Förderung der kognitiven Fähigkeiten.
» Je mehr Sinnenerfahrungen und Wahrnehmung, desto komplexer kognitive Leistungen
» Eine gute Spracherziehung fördert die Denkentwicklung.
» Geistige Entwicklung benötigt Anregungen und Anreize aus der Umwelt, damit die Freude und das Explorationsverhalten wächst und erhalten bleibt.
» Interessen des Kindes sollen gefördert werden und neues Interesse geweckt.
» Geeignete Spiel,- Bastel,- und Beschäftigungsmöglichkeiten aktivieren das Denken
» Spiele und Bücher regen Fantasie und Kreativität an und fördern die Denk,- Intelligenz,- und Gedächtnisleistungen.
» Spezielle Förderprogramme lassen auch bei Kindern mit einer geistigen Behinderung viele Defizite ausgleichen

9. Quellenangaben
Buchquellen:
● Erzieherinnen+Erzieher - Professionelles Handeln im sozialpädagogischen Berufsfeld Band 1
1. Auflage, 2. Druck, 2014, Cornelsen Verlag
● Entwicklungspsychologie
7. vollständige überarbeitete Auflage, 2012. Beltz Verlag
● Psychologie
5. Auflage, 2013, Bildungsverlag EINS
● Weiter Wissen – Pädagogik, Psychologie, Soziologie
1. Auflage, 2014, Cornelsen Verlag
Internetquellen:
● http://www.lern-psychologie.de/kognitiv/piaget.htm (Abgerufen 08.04.2017)
● http://www.lern-psychologie.de/person/piaget.htm (Abgerufen 08.04.2017)
● https://userpages.uni-koblenz.de/~proedler/autsem/piaget.pdf (Abgerufen 08.04.2017)




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