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Ansätze filmtheoretischer Überlegungen gemäß André Bazin - Referat



In seinem bahnbrechenden Aufsatz zur „Ontologie des fotografischen Bildes“ entwickelte der französische Filmkritiker André Bazin bereits im Jahr 1945 Ansätze zu einer Theorie des Films.
Bazin geht zunächst davon aus, dass die bildende Kunst der Mumifizierungstechnik der alten Ägypter entspricht. Dieser Kulturtechnik läge das psychologisch zu deutende Bedürfnis des Menschen zugrunde, das ICH in seiner Körperlichkeit zu erhalten und damit die Zeit zu bannen. Der Versuch, „das Wesen durch die Erscheinung zu retten“ , so der berühmte Filmkritiker, sei auch im Verlauf der sich entwickelnden Zivilisation in Gestalt der Malerei weitergeführt worden. Als Beispiel für seine These benennt Bazin die bekannten Herrscherportraits Ludwig des XIV., des französischen Sonnenkönigs.
Hier gibt er aber zu bedenken:

„Ist also die Geschichte der bildenden Kunst nicht nur die Geschichte ihrer Ästhetik, sondern zuerst die Geschichte ihrer Psychologie, dann ist sie wesentlich eine Geschichte der Ähnlichkeit oder, wenn man so will, des Realismus.“

Einen gewaltigen Schritt nach vorn machte die bildende Kunst dann mit der Erfindung der Perspektive, so zum Beispiel mit Leonardo da Vincis Erfindung der Camera Obscura und ersten Vorreitern der Fotografie wie Niepce, führt Bazin weiter aus. Die Fotografie, die das wichtigste Ereignis in der Geschichte der bildenden Kunst sei , so die These, habe beim Betrachter im Vergleich zur Malerei eine höhere Glaubwürdigkeit erzeugt und die bildende Kunst, die moderne Malerei, somit von ihrer „Ähnlichkeitsbesessenheit“ erlöst. Die Überlegenheit der Fotografie ist für Bazin offensichtlich: Die abgebildeten Gegenstände sind real, oder besser scheinen Realität zu reflektieren. In diesem Sinne wirke die Fotografie objektiv, ja sie balsamiere die Zeit ein. Damit sei der Film die einzige Möglichkeit, die darüber hinaus den tatsächlichen Zeitfluss registrieren könne. Der französische Filmkritiker formuliert es so: „Zum ersten Mal ist das Bild der Dinge auch das ihrer Dauer, es ist gleichsam die Mumie der Veränderung.“ Damit wird Bazins Verständnis von der Rolle des Films in der bildenden Kunst deutlich: Als Erweiterung der Fotografie, erfüllt er die Funktion der realistischen Lebensdarstellung.
In einem weiteren wichtigen Aufsatz „Die Entwicklung der Filmsprache“ legt André Bazin einige zusätzliche zentrale Aspekte seiner Filmtheorie dar. Hierbei differenziert der französische Filmkritiker zwischen der Epoche des Stummfilms und der Zeit des Tonfilms nach 1928/1930 und macht unterschiedliche filmische Ausdruckskonzeptionen fest. Er grenzt „[Stummfilm-]Regisseure, die an das Bild glauben“ , wie z. B. Eisenstein, Gance, Kuleschow von solchen, „die an die Realität glauben“ , wie z. B. Murnau, Flaherty, Stroheim voneinander ab. Die erste Gruppe setzte auf die Gestaltung des Bildes z. B. durch Dekoration mit Schminke, und Beleuchtung sowie auf das Hilfsmittel der Montage. Durch unsichtbare
Schnitte gelang es dem Regisseur den Blickpunkt des Betrachters zu steuern, durch die Technik der Parallelmontage, durch beschleunigte Montage und durch Attraktionsmontage wurde die Bedeutung des Bildes unterstrichen.
Für Stummfilmregisseure, die, so Bazin, an die Realität glauben, spielte die Montage keine Rolle, sie verwirklichten aber in ihren Filmen eine überreiche Realität.
Im Vergleich zum Tonfilm, so führt Bazin aus, bildet der Stummfilm keine ästhetische Einheit . Mit dem Aufkommen des Tonfilms hätten die eher „Bildgläubigen" eine weitere Realitätsebene gefunden, welche zusätzlich montiert werden und synchron sein musste. Die „Realisten" bekamen ein weiteres Element der Realität.
Mit dem Tonfilm entwickelte sich laut Bazin auch der Filmschnitt weiter. Die Form der Montage wandelte sich von einer eher expressionistisch/symbolistischen zu einer analytisch/dramatischen.
Das sprechende Bild hätte die Montage zum Realismus zurückgeführt, da es weit weniger flexibel wäre als das visuelle . Durch Regisseure wie Orson Welles, William Wyler, Jean Renoir sei die Technik der Tiefenschärfe eingeführt worden. Trotz unbeweglicher Kamera hätten so ganze Szenen in einer einzigen Einstellung gezeigt werden können. Die Schauspieler verändern innerhalb einer festgelegten Einstellung ihren Platz, die Tiefenschärfe setze den Zuschauer in eine Beziehung zum Bild, die enger sei als seine Beziehung zur Realität, es komme zu einer aktiven Mitwirkung des Zuschauers.
Genau diese auf Montage völlig verzichtende Filmsprache findet Bazin auch bei den Filmregisseuren des italienischen Neorealismus, wie Roberto Rosselini und Vittorio De Sica, die auf expressionistische Mittel und beinahe ganz auf Montageeffekte verzichten, wieder.




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