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Analyse „Augen in der Großstadt“ von Kurt Tucholsky - Referat



Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 als Sohn eines jüdischen Bankkaufmanns in Berlin geboren. Nach seinem Jurastudium engagiert er sich im Wahlkampf der SPD. 1912 erscheint seine erste Erzählung: Rheinsberg, eine Erzählung für Verliebte, und nach seiner Promotion veröffentlicht er seine ersten Artikel im Blatt „Die Schaubühne“. In dieser Zeit beginnt Tucholsky auch, sich Pseudonyme zuzulegen. 1915 wird er zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg einberufen. Drei Jahre später übernimmt er die Chefradaktion der satirischen Berliner Tagesblattbeilage „Ulk“ und in der deutschen Wochenzeitschrift „Weltbühne“ von Siegried Jacobsohn veröffentlicht er erstmals einen Artikel unter seinem Pseudonym „Kaspar Hauser“. Später schreibt er für die „Weltbühne“ die Artikelserie „Militaria“ und wird Gründungsmitglied des Friedensbundes der Kriegsteilnehmer.

1920 heiratet er Else Weil. Ab 1922 leidet Tucholsky an einer schweren Depression, es soll sogar einen Selbstmordversuch unternommen haben. Der Scheidung von Else Weil Anfang 1924 folgt im selben Jahr die Heirat mit Mary Gerold. Vier Jahre später muss sich Tucholsky einem Prozess wegen Gotteslästerung stellen auf Grund seiner Veröffentlichung „Gesang der englischen Chorknaben“. Er trennt sich von seiner zweiten Ehefrau Mary und verbringt gemeinsam mit Lisa Matthias einen Urlaub in Schweden, Tucholsky mietet eine Villa in Hindaås bei Göteborg. Der Kurzroman „Schloss Gripsholm“ erscheint 1931 im Rowohlt Verlag. Im gleichen Jahr findet die Trennung zu Lisa Matthias statt. Ein Jahr danach erscheint seine letzte Veröffentlichung in der „Weltbühne“. Diese Wochenzeitschrift wird ein Jahr später von den Nationalsozialisten verboten, Tucholskys Bücher werden verbrannt und die deutsche Staatsangehörigkeit wird ihm aberkannt. Nachdem er 1935 seinen Freund Carl von Ossietzky bei der Nominierung für den Friedensnobelpreis unterstützt hat, nimmt er im Dezember desselben Jahres eine Überdosis Schlaftabletten und fällt ins Koma. Am 21. Dezember verstarb Kurt Tucholsky in einem Krankenhaus in Göteborg.

Tucholsky war Satiriker, Liedtexter, Romanautor, Lyriker und Kritiker für Literatur, Film und Musik. Seine Pseudonyme waren unter anderem: Kaspar Hauser, Peter Panter und Ignaz Wrobel. Tucholsky zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik.

Einführung

Kurt Tucholsky verfasste das Gedicht „Augen in der Großstadt“, es erschien 1932 im Rowohlt Verlag, nach seinem Erstdruck 1930 in der „Arbeiter Illustrierten Zeitung“ unter dem Pseudonym Theobald Tiger. Auch wenn das Gedicht in der „Arbeiter Illustrierten Zeitung“ erschien, zählt es nicht zu der typisch für die 20er Jahre sozialistischen Großstadtlyrik. Das Wort „Genosse“ wird nur nebenbei genannt, genauso wie die ungeliebte Architektur der Großstadt nur in wenigen Worten, unter anderem mit „asphaltglatt“ erwähnt wird. Das Gedicht soll vor allem die Gefühle des Menschen in der Großstadt beschreiben.

Erst seit dem späten 20. Jahrhundert schloss Berlin zu den anderen europäischen Metropolen auf, verließ damit seine Provinzialität. In anderen Ländern wie England und Frankreich gab es längst die sogenannte „Großstadtlyrik“, die durch den Aufstieg Berlins auch in Deutschland ihren Anfang fand. „Augen in der Großstadt“ von Kurt Tucholsky ist das bekannteste in diesem Genre.

Das Gedicht ist der Epoche des Expressionismus zugeordnet, eine Zeit der sprachlichen Revolution. Es herrschte unter den Vertretern des Expressionismus Angst vor dem Verfall des bisherigen Wertesystems durch die Militärgewalt und den Beginn der Industrialisierung mit ihrer Technologisierung. Die Sprache der Dichter dieser Zeit war entsprechend in ungewöhnlicher Syntax gehalten, oft explosiv und komprimiert, auch die Gedichte fielen aus der Norm. Das Leben der jungen Dichter fand jetzt in den neuen, sprudelnden Großstädten statt, faszinierend und abstoßend zugleich und nicht mehr in den beschaulichen Kleinstädten. Der Verfall, die Leere und die Einsamkeit der Menschen war oft Thema.

Inhaltsangabe des Gedichts „Augen in der Großstadt“

Der Titel des Gedichts lässt nur darauf schließen, dass es von Menschen in einer großen Stadt handelt, mehr verrät der Titel zum eigentlichen Thema nicht. Tucholsky beschreibt in seinem Gedicht Alltagssituationen in der Großstadt, Augenblicke bei der Begegnung von Menschen, die aber sofort wieder vorbei sind. Damit stellt er die Einsamkeit des Individuums trotz der vielen anderen Menschen in seiner Umgebung in den Vordergrund, eine Interaktion findet nicht statt, die Chancen dazu verfliegen so schnell, wie sie entstanden sind. Die Epoche der „neuen Sachlichkeit“ innerhalb des Expressionismus wird mit der melancholischen, nüchternen Sprache sehr gut dargestellt. Der Leser wird mit dem „Du“ auch immer wieder direkt angesprochen und damit in das Gedicht mit einbezogen.

Die Alltagssituation, ein Mensch wartet früh am Morgen in Gedanken versunken am Bahnhof, vermittelt schon ein Gefühl der Monotonie. Dann beschreibt Tucholsky die sich immer wiederholende Szene: die Blicke zweier Menschen treffen sich für einen Sekundenbruchteil, ein kurzer, intimer Moment, dann verlieren sie sich aber direkt wieder aus den Augen, obwohl sie vielleicht sogar an einer Interaktion interessiert gewesen wären. Der Alltagstrott inmitten des Trubels der Großstadt, verhindert
das Innehalten und die Situation löst sich auf, wenn beide aneinander vorbeigehen. Die Vermutung, es hätte sich um die Liebe auf den ersten Blick handeln können, unterstreicht die Einsamkeit.
Die Melancholie in der nächsten Strophe wird sehr deutlich dargestellt. Eine Person geht ihr Leben lang viele Straßen auf und ab, spürt wie die Zeit vergangen ist, „die Augen, die dich vergaßen“, erlebt schöne Momente „ein Auge winkt, die Seele klingt“, diese dauern aber nur wenige Sekunden, denn „kein Mensch dreht die Zeit zurück“.

Die letzte Strophe beschreibt die Vergänglichkeit des Lebens insgesamt, das Lyrische Ich weiß nicht einmal, ob es Freund, Feind oder ein Genosse auf seinem Lebensweg ist, so schnell ist die Szene – oder sogar das ganze Leben, vorbei, „von der großen Menschheit ein Stück!“.

In jeder Strophe wiederholt sich der Refrain, nur die vorletzte Zeile passt sich dem Inhalt an. Diese Wiederholungen unterstreichen die Melancholie, die Einsamkeit des einzelnen Menschen in der Großstadt. Die genaue Beschreibung der Augenpartie zeigt, wie nah und doch so fern man den Mitmenschen gegenüber sein kann.

„Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick – die Braue, Pupillen und Lider - - vorbei, verweht, nie wieder“

Sprachstil und Interpretation

Die Sprache in diesem Gedicht ist melancholisch, teilweise tragisch. Tucholsky verwendet mit „asphaltglatt“ einen Neologismus, eine Metapher, wobei das Wort an sich in mehreren Bedeutungen verstanden werden kann. Zum einen beschreibt es, wie sehr die einzelnen Individuen in der Großstadt einander ähneln, sich lieber anpassen, um ja nicht aufzufallen. Damit kann aber auch der immer gleiche, reibungslose Ablauf des Alltags gemeint sein. Der Leser fühlt sich durch die direkte Ansprache „du“ in das Geschehen mit einbezogen und jeder hat das Gefühl der Anonymität und Monotonie im Großstadtleben schon einmal genauso selbst empfunden. „Menschentrichter“ als Metapher zeigt zwar die mögliche Vielfalt in der Stadt, die Trichteröffnung hat ein großes Fassungsvermögen, beim Durchlaufen des Trichters, wird aber alles auf einen Punkt gebracht. Damit kann der Schmelztiegel der verschiedenen Kulturen gemeint sein. In der ersten Strophe wird „Million Gesichter“ als Übertreibung verwendet und beschreibt die Menschenmassen auf dem täglichen Weg zur Arbeit, in der das einzelne Individuum einfach untergeht.

Betrachtet man das Gedicht im zeitlichen Hintergrund der Weimarer Republik, sieht man, dass sich zeitgenössische Autoren oft mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen beschäftigt haben, noch unter den Eindrücken des ersten Weltkriegs. Die Großstadt wird zum Schmelztiegel aller sozialer Schichten. Viele Menschen leben einsam und isoliert, sehnen sich nach einem anderen Umgang, können aber ihrer Alltagsroutine nicht entfliehen, wenn sie funktionieren wollen. Diese Einsamkeit entwickelt sich langsam und schleichend, in der ersten Strophe wird noch der jeden Tag gleiche Alltagsablauf beschrieben. Das steigert sich bis zur letzten Strophe, die auch als der Tod eines Menschen interpretiert werden kann.

Stilmittel

Das Gedicht ist in 3 Strophen geschrieben, die ersten beiden Strophen bestehen aus 12 Versen, die letzte Strophe hat 16 Verse. Die Struktur ist liedhaft, das Reimschema wechselt zwischen Kreuzreim und Paarreim. Der letzte Vers stellt eine Ellipse dar und wird, wie ein Refrain in jeder Strophe wiederholt.

Das Metrum im Gedicht ist der Jambus, mit Ausnahme der sich wiederholenden, rhetorischen Frage „was war das?“, die im Trochäus geschrieben ist.

In der ersten Strophe verwendet Tucholsky zwei Metaphern: „asphaltglatt“ und „Menschentrichter“.

Mit den Anaphern in der ersten „wenn du zur Arbeit gehst“, und „wenn du am Bahnhof stehst“ und in der zweiten Strophe „du gehst dein Leben lang“ und „du gehst auf deinem Gang“ wird der Eindruck der Monotonie und Einsamkeit beim Leser verstärkt.

Häufige Fragen:

  • Von wem stammt das Gedicht „Augen in der Großstadt“?

  • Kurt Tucholsky hat das Gedicht geschrieben, die erste Veröffentlichung erschien 1930.

  • Wer war Kurt Tucholsky?

  • Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 in Berlin geboren, er verstarb am 21. Dezember 1935 in Göteborg. Seine Werke fallen hauptsächlich in die Zeit der Weimarer Republik. Der deutsche Autor und Journalist benutzte auch verschiedene Pseudonyme.

  • Welche Werke stammen noch von Tucholsky?

    • Schloß Gripsholm – eine Sommergeschichte, 1931
    • Rheinsberg, 1920
    • Das Lächeln der Mona Lisa, 1928
    • Fromme Gesänge, 1920
    und viele weitere ...

  • Welche beiden Metaphern verwendet Tucholsky in seinem Gedicht und wie kann man sie interpretieren?

  • „asphaltglatt“ beschreibt zum einen die Anpassung des einzelnen Individuums an die Masse, um nicht aufzufallen, zum anderen aber auch der immer gleiche, routinemäßige Ablauf gemeint sein. Der „Menschentrichter“ mit der großen Einfüllöffnung, der die verschiedensten Menschen mit den verschiedensten Kulturen schluckt, der aber nach dem Durchlaufen des Trichters am Ende alles auf einen Punkt reduziert.

  • Zu welcher Epoche zählt das Gedicht?

  • „Augen in der Großstadt“ wurde 1930 das erste Mal veröffentlicht. Das war die Epoche des Expressionismus, wobei das Gedicht genau genommen in die Zeit der „neuen Sachlichkeit“ fällt.





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