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„Die Jungfrau von Orléans“ von Schiller - Referat



Einleitung

In der Tragödie „Die Jungfrau von Orléans“ von Friedrich Schiller geht es um den Lebensweg einer jungen Schäferin, die sich von Gott gesandt fühlt, Frankreich zu retten und sich wandelt zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit, die am Schluss freiwillig den Tod auf sich nimmt. Sie gerät in einen Konflikt, weil sie glaubt, durch ihre Gefühle für den Engländer Lionel gegen ihr Gelübde verstoßen zu haben. Schiller verarbeitete mit seiner Titelfigur die historische Jeanne d‘Arc, die die Franzosen im hundertjährigen Krieg (1339-1453) gegen die Engländer und Burgunder führte. Diese wurde auf dem Marktplatz von Rouen auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Im Juli 1800 entstand im Rahmen von Schillers Tätigkeit als Geschichtsprofessor die Idee für die Tragödie. Das Werk wurde am 11. September 1801 erstmals in Leipzig aufgeführt. Schiller bezeichnete sein Werk als „romantische Tragödie“. Ganz im klassischen Sinne hat das Werk eine strenge Form in Bezug auf die Sprache (Blankvers) und den Aufbau der Akte. Es ist der Weimarer Klassik zuzuordnen- gemäß seiner Dramentheorie besteht das Werk aus 5 Aufzügen mit jeweils unterschiedlichen Funktionen (Exposition, Komplikation, Peripetie, Retardation und Katastrophe) befasst sich aber auch schon mit der in dieser Zeit aufkommenden Romantik. Aus heutiger Sicht ist die fundamental- religiöse Haltung der Johanna von Orléans und die mystische Verklärung durch Schiller nicht mehr nachzuvollziehen.

1.
Im 11. Auftritt des 4. Aufzuges der romantischen Tragödie „Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller wird die Protagonistin Johanna von ihrem Vater Thibaut beschuldigt, vom Teufel besessen zu sein. Die Szene spielt in Reims, nach der Krönung des Königs. Johanna wird als die göttliche Heldin und Erretterin Frankreichs gefeiert, ist aber in einen inneren Konflikt verwickelt und hat an der allgemeinen Freude des Volkes keinen Anteil. Als ihr Vater sie vor dem gesamten Volk beschuldigt und bloßstellt, wird sie von ihren Anhängern dazu aufgefordert, sich zu verteidigen, doch sie schweigt. Thibaut klagt sie weiterhin an, und sie wird gebeten, nur ein Zeichen ihrer Unschuld zu geben. Als sie unbeweglich stehen bleibt, mehren sich Angst und Zweifel an ihr unter dem Volk und ihren Getreuen. Schließlich verliert auch der Letzte, nämlich Dunois, den Glauben an ihre Unschuld, und die Menschen um sie herum fliehen vor ihr.

Im Gegensatz zu Johannas forschem und selbstsicherem Auftreten vor der Begegnung mit Lionel scheint sie im 11. Auftritt den Glauben an ihre eigene Unschuld verloren zu haben. Die sonst so feurige und leidenschaftliche Verteidigerin ihres göttlichen Auftrages bleibt stumm im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Es ist stark zu vermuten, dass sie aufgrund der Anschuldigungen des Vaters und den starken Schuldgefühlen, die sie wegen der Begegnung mit Lionel hat, schweigt.

Der größte Unterschied zu Johannas vorigem Auftreten liegt darin, dass sie für sich und ihre Aufgabe keine Partei ergreift, sondern stillschweigend alles geschehen lässt, was um sie herum passiert und was sie ganz konkret betrifft. Auch steht Johanna unbeweglich und passiv da, während sie in den Schlachten vor diesem Auftritt (physischer und psychischer Art, zum Beispiel beim Streitgespräch um ihre Hochzeit) ihr „Schwert“ schwang und sich ins Kampfgetümmel stürzte.

Eine Gemeinsamkeit des Verhaltens lässt sich jedoch auch feststellen: Bevor Johanna ihren Auftrag erhielt, im zweiten Auftritt des Prologs, führen ihr Vater und Raimond ein Streitgespräch über sie, während sie teilnahmslos daneben steht. Auch hier sagt sie kein Wort zu ihrer Verteidigung und reagiert nicht auf die Dinge um sie herum. Johanna partizipiert im 11. Auftritt nicht mehr an ihrer menschlichen Umwelt, wie sie es seit ihrer Einberufung als Gotteskriegerin tat, sondern ihr Verhalten gleicht vielmehr dem der introvertierten und eremitisch lebenden Hirtin. Auch ihr Stolz und ihre Überzeugung, dass sie die auserwählte, heilige Gotteskriegerin ist, welche sie selbst vor dem König und dem hohen Adel hoheitlich handeln und sprechen lässt, ist im 11. Auftritt verschwunden. Sie lässt ihre Anhänger im Ungewissen, was sie vorher niemals hätte geschehen lassen.

Im letzten Akt stellt sich heraus, dass Johanna von ihrer eigenen Unschuld überzeugt ist, doch sie verteidigt sich vor der Öffentlichkeit zunächst ebenso wenig wie im 11. Auftritt, da sie dem Schicksal ihren Lauf lassen will. Doch als sie von den Engländern ohne Widerstand gefangen genommen wird und diese sie zu Lionel bringen wollen, schweigt sie nicht länger, sondern fleht um ihren Tod. Dieser Wunsch wird ihr nicht gewährt, und als Johanna Lionel erneut begegnet, ist sie wieder die kriegerische Jungfrau, die für Frankreich kämpft und sich nie mit dem Feind verbrüdern würde, aber diesmal handelt sie bewusst und entscheidet sich selbst dafür. Dieses Verhalten behält sie bis zu ihrem Tod bei: Sie verhilft erneut mit Gottes Hilfe den Franken zum Sieg und stirbt als Heldin auf dem Schlachtfeld.

2.
Raimond ist ein junger Mann aus Johannas Heimatdorf, der um sie wirbt und sie zur Frau nehmen möchte. Er taucht zum ersten Mal im zweiten Auftritt des Prologs auf, wo er seine Angebetete vor ihrem Vater verteidigt. Raimond stellt seine verehrte Johanna gewissermaßen auf ein Podest, obwohl sie ihm zunächst kaum Beachtung schenkt und auch kein Interesse an ihm zeigt. Sie wird von ihm als „himmlisch“ im positiven Sinne betrachtet. Das Ungewöhnliche an ihr fasziniert ihn sehr. In gewisser Hinsicht ist Raimond ein sehr fortschrittlich denkender Mann, da er, im Gegensatz zu Johannas Vater, sie so sein lässt wie sie sein will und ihr keine Vorurteile entgegenbringt, zum Beispiel weil ihr Verhalten und ihre Art nicht den als normal angesehenen weiblichen Tugenden entspricht. Trotzdem bevormundet er sie auch, indem er meint, sie verteidigen zu müssen.

Raimond hält bis zum Ende zu Johanna und bleibt ihr treu, auch als alle anderen sich von ihr abwenden (11. Auftritt, 4. Aufzug). Auch als er glaubt, Johanna sei tatsächlich vom Teufel besessen gewesen, lässt er sie nicht allein, sondern versucht, sie auf den „rechten Weg“ zurückzuführen (S.106, Zeile 22-25). Sein Bild von Johanna ist einerseits konservativ, da er sie aufgrund ihres Geschlechtes beschützen und führen will, andererseits bewundert er sie aber auch. Das zeigt, dass er bis zum Schluss wahre Liebe für sie empfindet. Als sie von den Engländern gefangen genommen wird, duldet Raimond Johannas Willen, dem Schicksal freien Lauf zu lassen, wenn auch widerwillig. Er respektiert ihre Entschlüsse, obwohl er darüber Verzweiflung empfindet.

Raimond ist Johannas einziger Freund und Vertrauter in der Not. Er kann sie beruhigen und durch seine Anwesenheit im letzten Aufzug wird sie sanfter. Auf ihn kann sie sich stützen und verlassen, weil sie weiß, dass er sie niemals im Stich lassen würde und ihr bis ins Elend folgt. Das gibt ihr Kraft und Mut. Durch seine bedingungslose Liebe zur ihr fühlt sie sich bestärkt und getröstet,
sodass sie eine wohltuende, innere Ruhe und Ausgeglichenheit erzeugen kann. Raimond beeinflusst maßgeblich die Gefasstheit, mit welcher Johanna ihr Schicksal annimmt.

3.
Schillers Fragestellungen und Themenkomplexe, die er in seiner romantischen Tragödie künstlerisch bearbeitete, lassen sich anhand seines Gedichtes „Das Mädchen von Orléans“ und eines Ausschnitts aus dem Buch „Schiller oder die Erfindung des Deutschen Idealismus“ (2004) von Rüdiger Safranski analysieren und interpretieren.
In seinem Gedicht „Das Mädchen von Orléans“ (drei Strophen mit jeweils sechs Zeilen) stellt Schiller seine Dramenfigur als der Inbegriff des Guten und Schönen dar. Er verteidigt das Bild der Johanna gegen den aufklärerischen Autor Voltaire, welcher die Jungfrau in 24 Spottgesängen verhöhnte, welche vom Volk gerne gelesen wurden. Aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus, Johanna ins richtige Licht zu stellen und sie idealistisch darzustellen um einen Gegensatz zu Voltaire zu schaffen, schrieb Schiller dieses Gedicht. Der Glaube und die Visionen Johannas werden als positiv dargestellt. Sie bilden einen Gegensatz zur Rationalität und dem Intellekt der Aufklärer. Schiller beschreibt Johanna als die kindliche und fromme Schäferin, welche Ideale hat, nach denen sie strebt („Sterne“) und die somit das Hohe, Erhabene und Edle symbolisiert.

Diese „Herrlichkeit“ wird aber durch Momus, den Gott des Zynismus, verspottet. Eine große Rolle bei Schillers Darstellung von Johanna spielt auch das „Herz“, welches die ewigen Werte und Tugenden als Schätze in sich trägt und einen Gegensatz zur verachtenden, spöttischen „Welt“ bildet, die keine inneren Werte kennt und nur der Mode folgt. Auch die Dichtkunst wird bei Schiller als „göttlich“ beschrieben, denn sie aktiviert die Qualitäten der Johanna in ihm selbst, sodass er Nahrung bieten kann für den edlen Sinn der Menschen. Johanna ist für Schiller der Ausdruck des Erhabenen, des aus dem Bewusstsein handelnden, denkenden und fühlenden Menschen, der aus eigenem Enthusiasmus heraus seine soziale Aufgabe ergreift und erkennt und sich selbst verwirklicht.

In seinem Text über Schiller und seine „Johanna von Orléans“ versucht Rüdiger Safranski der „dunklen Totalidee“ der romantischen Tragödie auf die Spur zu kommen. Schiller beschritt während seines Schaffens an dem Werk den Weg vom Unbewussten zum Bewussten, von der Verzauberung und Inspiration durch die heilige Jungfrau zur klaren Grundidee des Werkes. Diese Grundidee besteht laut Safranski einerseits aus der Einheit des Schönen, Sanften und des Grausamen, Schrecklichen, welche im Laufe der Geschichte zerbricht, aber aus eigenem Antrieb der Protagonistin wiederhergestellt wird. Andererseits aber auch aus der Entwicklung von der Fremdbestimmtheit zum eigenen Entschluss, welcher durch den Konflikt, durch den „Fall in die Menschlichkeit“, ermöglicht wird. Ein weiterer Aspekt dieser Grundidee ist auch die politische Botschaft, die sich hinter der romantischen Tragödie verbirgt: Die Machtergreifung des Bauernmädchens Johanna, der entweder Bewunderung oder Hass entgegengebracht wird, wird mit dem Leben Napoleons verglichen. Ein Ziel oder eine Idee Schillers war es laut Safranski auch, den Menschen politisches Bewusstsein zu geben und Johannas Andenken und Ehre zu retten. Das Stück weckte in den Menschen damals vaterländische Gefühle und die Sehnsucht nach einer Erlöserfigur für Deutschland.

Schiller behandelte in „Johanna von Orléans“ das Idealbild des modernen Individuums, das allein Schicksalsschläge ertragen kann, aber trotzdem den eigenen Weg weiter geht, da er Johanna genau diese Geschichte erleben lässt. Im Zentrum von Schillers Tragödie wird die existentielle Grenzsituation der Protagonistin dargestellt, die trotz der Aussichtslosigkeit dennoch zu einer individuellen Selbstbestimmung gelangt. Das zeigt sich in dem Wandel von Johannas Fremdbestimmung zur Selbstbestimmtheit. Die innere Freiheit ist ebenfalls ein Grundbegriff der Tragödie, da Johanna sich unabhängig von äußeren Einflüssen dazu entscheidet, den Weg der Gotteskriegerin weiter zu gehen. Das Idealbild des Menschen, der das Erhabene und Edle verkörpert und für seine Ideale kämpft steht stark im Mittelpunkt: Johanna verkörpert genau diese Eigenschaften. Ebenfalls bearbeitete Schiller Johannas Konflikt zwischen Pflicht und Neigung, da die Protagonistin sich einerseits in der Verantwortung sieht, ihre Mission zu erfüllen, andererseits fühlt sie sich aber zu Lionel hingezogen, zum Frieden und zu der Natur. Thematisiert wird somit auch die Vereinbarkeit von sozialer Mission und Beziehung zu einem anderen Menschen.

Die Unterschiede zwischen Pflicht und Neigung werden in der Mitte/am Höhepunkt der Tragödie am deutlichsten, während die Grenzen am Anfang und am Ende des Stückes verschwimmen. Inwieweit die Pflicht der Johanna ihr von außen auferlegt wurde (also von Gott) oder die Pflicht eine von innen Auferlegte ist, bleibt unklar.

4.
An Schillers Tragödie spricht mich vor allem an, dass die dargestellten Ereignisse tatsächlich in der Geschichte passiert sind, auch wenn Schiller an einigen Stellen von der historischen Figur abweicht. Es fällt mir nicht leicht, mir vorzustellen, dass ein Hirtenmädchen durch ihren starken Glauben ganz Frankreich von den Engländern befreit hat. Fasziniert bin ich von der Sprache, die Schiller in seinem Werk verwendete: Jeder einzelne Satz klingt sehr gewählt und fügt sich gut in das Gesamtbild ein. Auch Reime sind nach Möglichkeit eingefügt worden. Was mich ebenfalls anspricht, ist, wie Schiller die Gotteskriegerin dargestellt hat: Einerseits ist sie die Unerbittliche, Unnachgiebige, andererseits hat sie doch menschliche Gefühle und kommt dem Leser so näher. Die Art der Sprache und auch die Darstellung der einzelnen Personen und Situationen regen die Phantasie des Lesers an. Die negativen Aspekte der sehr hochgestochenen und gewählten Sprache waren, dass es oft nicht leicht war, einen Satz auf den ersten Anhieb zu verstehen. Inhaltlich gesehen war das Werk für meinen Geschmack an einigen Stellen zu theatralisch und dramatisch, doch insgesamt passt diese Theatralik wiederum in das Werk und auch zur verarbeiteten Thematik.

Zu guter Letzt hat mich erstaunt, wie viel Emotionalität und Idealismus Schiller in seinem Werk verarbeiten konnte. Konkrete Fragen sind bei mir nicht offen geblieben.




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