Lerntippsammlung Headergrafik
Linie
Abstandshalter

Suchbegriff:

Textgebundene Erörterung zum Kommentar "Brauchen wir einen neuen Literaturkanon?" von Ulrich Greiner - Referat



Textgebundene Erörterung U. Greiner „ Brauchen wir einen neuen Literatur-Kanon“?

Ulrich Greiner problematisiert in seinem Plädoyer für einen neuen Literatur-Kanon nicht nur die unzureichenden Lehrpläne im Fach Deutsch, sondern auch das allgemeine mangelnde Interesse der Gesellschaft an unserem kulturellen Erbe. Er spricht sich für einen neuen Kanon aus, der sowohl das Ziel haben soll, deutsche Texte und Autoren wieder mehr ins Zentrum unseres Bewusstseins zu rücken, sondern auch, den angehenden Erwachsenen Werte und Fähigkeiten zur Beurteilung der Qualität von Literatur an die Hand zu geben.

Greiners Argumentation ist fast durchgehend linear und auf seinen Standpunkt beschränkt, wobei er kontroverse Meinungen nur aufgreift, um sie anschließend zu entwerten und so seine Position zu unterstützen. Sein Repertoire umfasst ein breites Spektrum an verschiedenen Argumenttypen, welche zur Überzeugungskraft seines Textes beitragen, ein einseitiges Begründen und Erläutern vermeiden und so auf fundierte Kenntnisse sowie auf einen angemessenen Wissensstandard auf diesem Gebiet schließen lassen. Der Schwachpunkt Greiners Argumentation liegt meiner Meinung nach in der Stichhaltigkeit seiner Beispiele und Belege, welche nicht immer gegeben ist und seine Argumente somit schwächt: Bspw. Assoziiert man nicht unbedingt Positives mit der Weise, wie die DDR zur Erhaltung ihres „kulturellen Erbguts“ beigetragen hat und wie dies in dem ehemaligen Nachbarstaat der BDR umgesetzt wurde. Daher erzeugt diese Veranschaulichung beim Leser eher Unverständnis und Irritation, da man sich weitestgehend von der Politik und Denkweise des ehemaligen kommunistischen Staates entfernt und entfremdet hat. Hier hätte Greiner wohl auf ein geeigneteres Beispiel zurückgreifen können, welches eher zur Stützung seiner These beigetragen hätte. Ein zweiter Schwachpunkt ist die fehlende Variation seiner Argumente: Greiner beschränkt sich lediglich auf die Ausführung von zwei Unteraspekten, welche beide einen ähnlichen Hintergrund haben: Sein stärkstes Argument ist zweifellos das immer mehr schwindende Bewusstsein für deutsche Literatur und Kultur, welches die Basis für eine Identität darstellt, welche eine Gesellschaft bestenfalls verbinden und vernetzten sollte. Damit verknüpft ist auch das dadurch fehlende geschichtliche Wissen, die essentiellen Träger von Geschichte würden fehlen. Obwohl Greiner diese Punkte berechtigterweise als Hauptargumente platziert, führt er sie nicht hinreichend aus. Hier hätte er noch verstärkt die möglichen Folgen und Konsequenzen nennen können, bspw. Dass die deutsche Kultur somit nach und nach ihr Gesicht verliert, und nachfolgende Generationen, indem es keinen allgemein verbindlichen Kanon mehr gibt, sich keine Meinung mehr über die Qualität von Literatur bilden können, weil sie weder mögliche Wertmaßstäbe noch Optionen zum Vergleich kennen. Wie gefährlich und fahrlässig es wäre, dies geschehen zu lassen, kann man ebenfalls plausibel darstellen: Eine Gesellschaft, welche keinerlei Bewusstsein für ihre Geschichte, Identität, ja für ihr Profil hat, wird anfälliger für Propaganda und Manipulation, sei es durch Werbung oder durch politische Machtinstrumente. Wie soll sich eine Gesellschaft, welche ihre eigenen Wurzeln, ihre eigene Historie nicht kennt, von Einflüssen der Globalisierung und Amerikanisierung abgrenzen? Was soll sie jenen Strömungen entgegensetzen?

Diese Problematik wäre als Abrundung Greiners Argumentation von Nöten gewesen und hätte seinen Standpunkt dem Leser noch einmal einleuchtend erklärt.
Ich stimme mit dem Standpunkt Greiners, welcher sich klar für mehr Literatur im Deutschunterricht allgemein sowie für einen neuen allgemeingültigen Literatur-Kanon ausspricht, überein, da ich seine Ansichten mehrheitlich teile und seiner Argumentation beipflichte. Ich stütze meine Überzeugung auch darauf, dass mögliche Gegenargumente und Einwände nicht zutreffen und leicht zu entkräften sind: Die Ansicht vieler Didaktiker und Pädagogen, ein Literatur-Kanon würde zu Zwang und damit zur Demotivation und Behinderung der freien Entfaltung von Schülern führen, ist nicht zu teilen, da der sogenannte „Zwang“ für jeden beliebigen Unterrichtsinhalt zutrifft. Auch der Widerspruch, der Literatur-Kanon sei ein Machtinstrument, welches automatisch „guter“ von „schlechter“ Literatur unterscheide und diese durch Selektion herabgewerteten Texte nun allgemein in Verruf kämen, ist nicht stichhaltig: Natürlich muss das Entscheidungsgremium, welches den Kanon festlegt, normative Setzungen vornehmen um die große Fülle an literarisch wertvollen Werken soweit einzugrenzen, dass sie im schulischen Rahmen
gelesen und bearbeitet werden können. Dies heißt jedoch nicht, dass die „aussortierten“ Werke weniger wert sind als die, welche tatsächlich im Lehrplan stehen. Von einer „Zensur“ als solche kann also nicht die Rede sein, da die Schüler ja nicht daran gehindert werden, entsprechende Texte nicht zu lesen oder ihnen gar davon abgeraten wird. Auch auf diesen Aspekt geht Greiner ein und belegt ihn mit einem logischen Beispiel: „ Jeder Kanon erzeugt einen Gegenkanon(..) dieser kann mächtiger sein als jener. (Z.56 f.) Es geht bei einem Literatur-Kanon primär um die Auseinandersetzung, die Sensibilisierung der Jugendlichen für die deutsche Kultur, welche sich eben stark in der Literatur wiederspiegelt und sich auch an ihr reibt. Es geht darum, dass die Schüler ein Gespür für Literatur bekommen, egal ob dieses nun in Sympathie oder Aversion ausufert, ob der Schüler nun Goethe mag oder Kafka hasst. Dass eine Abwertung in Folge einer Selektion ein mit großer Wahrscheinlichkeit eintreffender Nebeneffekt eines Kanons ist, ist unumstritten. Jene steht aber nicht hinter dem Sinn und Zweck eines Kanons und wird auch nicht durch ihn selbst herbeigeführt, sondern durch die Menschen, welche die Intention des Literatur-Kanons falsch interpretieren und sich seinen Gesetzmäßigkeiten unnötigerweise unterwerfen.

Aufgrund der durchgeführten Analyse der Stichhaltigkeit und Überzeugungskraft der Postion des Autors, komme ich zu dem Schluss, dass Greiners Auffassung von einer Beibehaltung des Kanons hin zu einer Erneuerung des jenen, zu teilen ist. Wir brauchen einen neuen Kanon, weil es gerade in Zeiten von multikulturellen Gesellschaften und immer stärker international und global geprägten Lebenswelten wichtig ist, seine eigene Kultur zu kennen, ihre Historie neutral und versiert beurteilen zu können, sowie geschichtliche Ereignisse angemessen einordnen zu können. Dieses Wissen ist unabdingbar und hilft auch Menschen, denen Deutschland vielleicht weniger vertraut scheint und dessen Historie nicht die eigene ist, die Menschen, die Kultur und Geschichte besser verstehen zu können. Da die Literatur nun mal ein Hauptträger dieses Wissens ist, gibt es meiner Meinung nach keinen anderen Weg als den Literatur-Kanon zu erhalten und ggf. zu erneuern, wenn seine gegenwärtigen Standards unzureichend sind. Das Fach Deutsch hat in unserer Gesellschaft vielleicht vordergründig nicht mehr einen so hohen Stellenwert wie früher, es liefert aber tiefergehend, wie es an diesem Beispiel zu sehen ist, einen unanfechtbar wichtigen Anteil an politischer, kultureller, psychologischer und sozialer Allgemeinbildung. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, sollte man sich die Frage stellen, bis zu welchem Grad man das Fach und den einst selbstverständlichen Literatur-Kanon zurückdrängen und verleugnen kann. Denn wenn wir unser eigenes kulturelles Erbe missachten, verleugnen und vergessen, wenn wir das, was uns über Jahrhunderte weg überliefert wurde, ignorieren, schneiden wir uns dann nicht ins eigene Fleisch mit unserer Arroganz und besserwisserischen Attitüde?




Kommentare zum Referat Textgebundene Erörterung zum Kommentar "Brauchen wir einen neuen Literaturkanon?" von Ulrich Greiner: