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Joseph von Eichendorff: "Abschied" - Eine Interpretation - Referat



Die Romantik ist eine der wichtigsten Epochen in der deutschen Literaturgeschichte. Einer ihrer Vertreter war Joseph von Eichendoff, der 1810 das Gedicht „Abschied“ verfasste. Darin thematisiert er die Natur, wie sie sich einer lyrischen Person präsentiert, und was diese Person nun für Hoffnungen und Wünsche hegt, was sie für Ängste hat. Dieses Thema ist typisch für die Romantik.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen zu je acht Versen. Alle Reime sind Kreuzreime. Jeder zweite Vers hat sechs Silben und weist männliche Kadenzen auf, alle anderen Verse sind siebensilbig mit weiblichen Kadenzen. Ebenso regelmäßig ist, dass das Gedicht ausschließlich in einem dreihebigen Jambus verfasst ist. Diese Regelmäßigkeiten geben dem Gedicht eine klare, gut verständliche Struktur und erleichtern den Zugang.
In der ersten Strophe äußert das lyrische Ich den Wunsch nach Abschirmung von der hektischen, geschäftigen Umwelt, die so gar nicht mehr im Einklang mit der Natur lebt. In der zweiten Strophe beschreibt es den Optimismus, der es überkommt, wenn ein neuer Tag anbricht. Die dritte Strophe handelt von den Gedanken, die die Romantik ausmachen, von Worten, die dem lyrischen Ich klar und deutlich eine Botschaft mitteilen.
Im Gegensatz zu den sehr optimistischen ersten drei Strophen geht es in der vierten Strophe um die Angst, die das lyrische Ich überkommt, wenn es über die Zukunft und den dort lauernden Verlust seiner Lebensfreude nachdenkt.
Zunächst sprich das lyrische Ich den Wald feierlich an. Feierlich, da es eine Anapher verwendet: „O Täler weit, o Höhen, // O schöner grüner Wald, …“ (Zeile 1f). Da es den Wald gesondert anspricht, hat er auch eine besondere Bedeutung für das lyrische Ich. Es erklärt dem Wald darauf nämlich den Grund für die Ansprache: „Du meiner Lust und Wehen // Andächt´ger Aufenthalt!“ (Zeile 3f). Dieses Enjambement teilt dem Wald mit, warum das lyrisch Ich ihn so liebt: Ein Aufenthalt dort ist „andächtig“, also ruhig, friedvoll und durchaus auch entspannend.
Aber auch Wehen verspürt das lyrische Ich an diesem Ort, nämlich dann, wenn es den Wald verlassen muss. Anschließend erläutert das lyrische Ich auch den Grund, aus dem heraus es den Wald liebt und ihn nicht verlassen will: „Da draußen, stets betrogen, // Saust die geschäft'ge Welt, // Schlag noch einmal die Bogen // Um mich, du grünes Zelt!“ (Zeile 5ff). Es grenzt den Wald hier klar von der „geschäftigen Welt“ durch Worte wie „draußen“ und „Zelt“ ab. Er soll ihm einen Schutz oder auch Zuflucht bieten.
Außerdem stellt das lyrische Ich in Aussicht, nicht sehr bald oder nie wieder in den Wald kommen zu können („Schlag noch einmal den Bogen…“, Zeile 5). Weitgehend bedeutungslos ist zwischen dem siebenten und achten Vers ein Enjambement verwendet.
Zu Beginn der zweiten Strophe erzählt das lyrische Ich von einem Morgen im Wald, den es offenkundig erlebt hat, denn es zählt die Merkmale eines Morgens im Wald auf, die dieses Ereignis besonders schön wirken lassen: „Wenn es beginnt zu tagen, // Die Erde dampft und blinkt, // Die Vögel lustig schlagen,…“ (Zeile 9ff). Es wird deutlich, dass das lyrische Ich den Wald mit all seinen physikalischen („die Erde dampft und blinkt“, Zeile 10) und gesellschaftlichen („Die Vögel lustig schlagen“, Zeile 11) Aspekten liebt.
Die in Zeile 12 folgende Mischung aus Personifikation und Metapher („Daß dir dein Herz erklingt“) ist bedeutend, da es zeigt, dass das lyrische Ich den Wald als Wesen mit Herz und Gefühl wahrnimmt und nicht als Ort. Das wurde bisher nicht deutlich. Infolgedessen spricht es ihm auch die Fähigkeit, Leid zu empfinden zu, lässt diese „trübe Erdenleid“ (Zeile 14) aber gleich wieder verblassen gegenüber den Schönheiten, die der Wald bietet, wenn er „in junger Herrlichkeit aufersteht“ (Zeile 15f). Interessant ist hierbei die Überlegung, dass das lyrische Ich vorrausetzen muss, dass der Wald sich selbst ebenfalls bedingungslos gefiele.
Was in dieser Strophe ebenfalls noch auffällt, ist die Anapher, die sich vom zehnten bis zum 15. Vers erstreckt. Alle Verse beginnen hier mit einem d und bilden eine Einheit, die dann in den Worten „In junger Herrlichkeit!“ (Zeile 16) gipfelt. Mit „jung“ ist der Morgen gemeint, die Herrlichkeit bezieht sich erneut auf das Schauspiel Wald.
Einen Umschwung kennzeichnet bereits die dritte Strophe. Hier ist nicht mehr von Herrlichkeit Klang und Frohsinn die Rede, hier geht es um Gedanken, um Ernsthaftigkeit und Stille: „Da steht im Wald geschrieben // Ein stilles, ernstes Wort // Von rechtem Tun und Lieben, // Und was des Menschen Hort.“ (Zeile 17ff). Es wirkt wie eine plötzliche Besinnung auf etwas, das dem lyrischen Ich und
allen anderen Menschen sehr wichtig sein muss: Gute, sinnvolle Taten, eine Beziehung zu einem geliebten Menschen, sei es ein Freund oder ein Lebenspartner oder eben die Gesellschaft zu allen Menschen, den „Hort“. Solche Beziehungen scheinen unter dem Aspekt der Romantik sehr einfach beschreibbar: Sie sind so wunderbar, dass sie nicht fassbar sind. Aus dieser Perspektive ist die Beziehung zu einem Mitmenschen etwas Schlichtes, Wahres, was sich in Zeile 22 wiederfindet: „Die Worte schlicht und wahr,…“.
Die Erkenntnis, dass diese schlichten, wahren Worte aber dennoch eine so komplexe Sache wie eine zwischenmenschliche Beziehung beschreiben, fordert dem lyrischen Ich volle Hingabe an diese Wahrheit ab: „Ich habe treu gelesen // […] // Und durch mein ganzes Wesen // Ward´s unaussprechlich klar.“ (Zeile 21ff). Und dennoch kann das lyrische Ich diese Wahrheit nicht so umfassend begreifen, dass es sie in Worte fassen kann, sie bleibt „unaussprechlich“.
Wie bereits erwähnt, weicht die vierte Strophe von der positiven Stimmung der ersten drei deutlich ab. Hier scheint das lyrische Ich dem Wald eine unangenehme Mitteilung machen zu wollen, denn es wird den Wals verlassen: „Bald wird ich dich verlassen, // Fremd in der Fremde gehen, …“ (Zeile 25f). Dieser Pleonasmus, „Fremd in der Fremde“, verdeutlicht, wie sehr sich das lyrische Ich in er Welt außerhalb des Waldes verloren fühlt und wie gern es im Wald bleiben möchte.
Es fühlt sich verloren in der Welt, die nur aus Lügen zu bestehen scheint und in der alles nur eine Maske ist. Daher die Erwähnung des Schauspiels: „Auf buntbewegten Gassen // Des Lebens Schauspiel sehn;…“ (Zeile 27f). Diese Verse, besonders die „buntbewegten Gassen“ lassen sich im Übrigen hervorragend auf unsere heutige Gesellschaft beziehen: Durch die Worte „bunt“ und bewegt“ suggeriert das lyrische Ich dem Leser eine Schnelllebigkeit, für die nur die Quantität an Unterhaltung zählt. Hierzu passt der umgangssprachliche Begriff „Wegwerfgesellschaft“ vortrefflich.
Letztendlich gehen die Befürchtungen des lyrischen Ichs so weit, dass es glaubt, sich in die schnelllebige und oberflächliche Welt nicht mehr einpassen zu können und ihr somit zum Opfer fallen zu können: „Und mitten in dem Leben // Wird deines Ernsts Gewalt // Mich Einsamen erheben, // So wird mein Herz nicht alt.“ (Zeile 29ff). Da das lyrische Ich eine andere Weltsicht hat, jene, die es in der dritten Strophe aus dem Wald „gelesen“ hat, hebt es sich von der Menge ab („Mich einsamen erheben“, Zeile 31) und steht dann wie an einem Pranger. Das wäre unumgänglich, daher die Formulierung in Zeile 30: „deines Ernsts Gewalt…“. Infolgedessen würde die Seele, symbolisiert durch das Herz, daran zerbrechen, würde also „nicht alt“ werden („So wird mein Herz nicht alt.“, Zeile 32). Doch trotz der Ausweglosigkeit der Lage ist ein gewisser Optimismus aus den vorangegangenen Strophen nicht verlorengegangen: das lyrisch Ich spricht nicht davon, dass es angeprangert, bloßgestellt oder getadelt wird, auch wenn das unter diesem Aspekt sicherlich zutreffend wäre, es spricht von „erheben“, eine durchaus positiv besetzte Wortwahl, die deutlich macht, dass, egal was in der Fremde passiert, das lyrische Ich zu seiner Erkenntnis über die wichtigen Dinge im Leben.
Es geht in dem Gedicht also um eine lyrische Person, die sich im Wald aufhält und dort zu einer großartigen Erkenntnis gelangt. Gleichwohl hat sie Angst, dass sich durch diese Erkenntnis ihr Leben in der Welt, dem sie ohnehin nie wohlwollend gegenüberstand, noch mehr erschweren wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht die zentralen Gedanken der Romantik sehr geschickt verarbeitet. Nicht gewollt, aber dennoch möglich ist der Bezug zur Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.




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